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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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selbst als Mark und Sara überzeugen wollte.
    Sie waren wie vor den Kopf geschlagen. Der Mann war unfähig, einen Fehler einzugestehen, und litt offenbar unter Realitätsverlust.
    Der März kam Dennis Fritz vor wie ein ganzes Jahr. Die Euphorie verflog, und er hangelte sich mühsam von einem Tag zum anderen. Der Gedanke, dass Peterson oder jemand vom OSBI die Haarproben austauschen könnte, ließ ihn nicht los. Nachdem das Sperma bereits untersucht war, würde die Anklage verzweifelt versuchen, den Fall mit dem einzigen ihr noch verbliebenen Beweismaterial in ihrem Sinne zu entscheiden. Wenn er und Ron durch DNA-Tests der Haare entlastet wurden, kamen sie frei. Dann würde sich herausstellen, was für eine Farce die Anklage gewesen war. Der Ruf der Ankläger stand auf dem Spiel.
    Dass er keinerlei Einfluss darauf hatte, bedeutete für Dennis eine nahezu unerträgliche Belastung. Er fürchtete, einen Herzanfall zu erleiden, und suchte die Krankenabteilung des Gefängnisses auf, wo er über Herzrasen klagte. Die Pillen, die man ihm gab, halfen nicht viel.
    Die Tage vergingen quälend langsam, aber schließlich kam der April.
    Auch Rons Begeisterung hatte nachgelassen. Die extreme Euphorie schlug in eine Phase schwerer Depressionen und Angstzustände um, und er dachte an Selbstmord. Oft rief er Mark Barrett an, der ihn immer wieder beruhigte. Mark nahm jeden Anruf entgegen, und wenn er nicht im Büro war, sorgte er dafür, dass jemand anders dort mit seinem Mandanten sprach.
    Wie Dennis hatte auch Ron panische Angst davor, dass die Behörden die Testergebnisse manipulieren könnten. Beide saßen im Gefängnis, weil staatliche Gutachter sie dorthin geschickt hatten. Diese Leute hatten nach wie vor Zugang zum Beweismaterial. Es war nicht schwer, sich vorzustellen, was damit geschehen konnte, wenn sich jemand selbst schützen und ein unfaires Verfahren vertuschen wollte. Ron hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er Gott und die Welt verklagen wollte, sobald er frei war. Da konnten hochgestellte Persönlichkeiten schon nervös werden. Ron rief so oft an, wie es ihm gestattet wurde, üblicherweise einmal pro Tag. Er litt unter Verfolgungswahn und präsentierte alle möglichen albtraumhaften Verschwörungstheorien.
    Irgendwann tat Mark Barrett etwas, was er noch nie getan hatte und wahrscheinlich auch nie wieder tun würde. Er versprach Ron, ihn aus dem Gefängnis zu holen. Wenn es mit dem DNA-Test nicht klappte, würden sie vor Gericht gehen, und Mark garantierte ihm einen Freispruch.
    Tröstliche Worte von einem erfahrenen Anwalt. Ein paar Tage lang war Ron ruhig. »Haarproben nicht identisch«, lautete am 11. April die Schlagzeile in der Sonntagsausgabe der Lokalzeitung von Ada. Ann Kelley berichtete, Lab-Corp habe vierzehn von siebzehn Haaren, die am Tatort gefunden worden seien, getestet, und es sei »keinerlei Übereinstimmung mit der DNA von Fritz oder Williamson« festgestellt worden. Bill Peterson meinte dazu:
    Im Augenblick wissen wir nicht, von wem die Haare stammen. Die DNA wurde nur mit der von Fritz und Williamson verglichen. Als wir mit diesen DNA­Tests anfingen, war ich mir absolut sicher, dass die beiden schuldig waren. Ich wollte sie nur, damit wir sie festnageln konnten. Als wir die Ergebnisse der Spermaproben bekamen, war ich völlig von den Socken.
    Der endgültige Laborbericht sollte am folgenden Mittwoch, dem 14. April, eintreffen. Richter Landrith setzte für den 15. April eine Anhörung an. Nachdem Fritz und Williamson dabei zu erscheinen hatten, gab es Spekulationen, dass die beiden auf freien Fuß gesetzt werden sollten.
    Und Barry Scheck kam nach Ada! Scheck hatte mittlerweile enorme Berühmtheit erlangt, weil das Innocence Project durch DNA-Tests eine Rehabilitierung nach der anderen erreichte. Als bekannt wurde, dass er in Ada sein würde, begann der Medienzirkus. Regionale und überregionale Nachrichtenagenturen riefen Mark Barrett, Richter Landrith, Bill Peterson, das Innocence Project, die Familie Carter und überhaupt jeden an, der irgendwie eine Rolle spielte. Die Spannung wuchs.
    Würden Ron Williamson und Dennis Fritz am Donnerstag wirklich freikommen? Dennis Fritz hatte nicht erfahren, wie die Haartests ausgegangen waren. Am Dienstag, dem 13. April, saß er in seiner Zelle, als plötzlich ein Wärter aus dem Nichts erschien und ihn anblaffte: »Pack dein Zeug. Du gehst.«
    Dennis wusste, dass er nach Ada gebracht werden sollte, wo er hoffentlich freigelassen werden würde. In aller Eile

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