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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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nicht gerade zu freuen.
    Richter Landrith nahm seinen Platz ein, begrüßte jeden im Saal und kam dann schnell zur Sache. Er forderte Peterson auf, seine erste Zeugin aufzurufen. Das war Mary Long, mittlerweile für die DNA-Abteilung des OSBI zuständig. Sie begann mit einem Überblick über das Testverfahren und erklärte, wie verschiedene Labors Haar und Sperma vom Tatort sowie die Proben der Verdächtigen analysiert hatten. Ron und Dennis gerieten ins Schwitzen. Sie hatten gedacht, die Anhörung würde nur wenige Minuten dauern, gerade lang genug, dass Richter Landrith das Verfahren für eingestellt erklären und sie nach Hause schicken konnte. Als eine Minute nach der anderen verstrich, wurden sie allmählich unruhig. Ron zappelte auf seinem Stuhl hin und her und knurrte: »Was ist denn los?« Sara Bonnell schrieb ihm beruhigende Botschaften, um ihm zu versichern, dass alles in Ordnung war.
    Dennis war mit seinen Nerven am Ende. Wohin führte diese Aussage? Konnte es eine weitere Überraschung geben? Jeder seiner Besuche in diesem Gerichtssaal hatte sich als Albtraum entpuppt. Dass er nun wieder hier saß, weckte quälende Erinnerungen an die Lügen der Zeugen, die undurchdringlichen Mienen der Geschworenen und Peterson, der die Todesstrafe gefordert hatte. Dennis beging den Fehler, sich im Saal umzusehen. Auch diesmal entdeckte er kaum jemanden, der auf seiner Seite zu stehen schien.
    Mary Long kam auf das fragliche Beweismaterial zu sprechen. Siebzehn am Tatort gefundene Haare waren getestet worden. Dreizehn davon waren Schamhaare, vier Kopfhaare. Zehn der Haare waren auf dem Bett oder in der Bettwäsche gefunden worden. Zwei stammten von dem zerrissenen Slip, drei von dem Waschlappen im Mund des Opfers, und zwei waren unter dem Körper entdeckt worden. Nur vier von diesen siebzehn konnten einem DNA-Profil zugeordnet werden. Zwei stammten von Debbie, keines von Ron oder Dennis. Kein einziges.
    Long sagte weiter aus, die Spermaproben von der Bettwäsche, dem zerrissenen Slip und dem Körper des Opfers seien ebenfalls getestet worden. Sie stammten auf keinen Fall von Ron und Dennis. Dann wurde sie als Zeugin entlassen.
    1988 hatte Melvin Hett ausgesagt, von den siebzehn Haaren stimmten dreizehn »mikroskopisch gesehen« mit denen von Dennis überein, vier mit denen von Ron. Einmal waren sie sogar »identisch«. Außerdem schloss Hett in seinem dritten und letzten Bericht, den er erst nach Beginn von Dennis' Verfahren vorlegte, aus, dass eines der Haare von Glen Gore stamme. Seine Aussage als sachverständiger Zeuge war der einzige direkte »glaubhafte« Beweis der Anklage gegen Ron und Dennis gewesen und hatte bei ihrer Verurteilung eine wichtige Rolle gespielt.
    Die DNA-Tests ergaben, dass ein unter der Toten gefundenes Kopfhaar und ein Schamhaar an der Bettwäsche von Glen Gore stammten. Auch das durch einen Vaginalabstrich bei der Autopsie gewonnene Sperma wurde getestet. Es stammte ebenfalls von Glen Gore.
    Richter Landrith wusste das, hatte diese Tatsache aber bis zur Anhörung vertraulich behandelt. Mit seiner Erlaubnis präsentierte Bill Peterson diese Ermittlungsergebnisse nun den schockierten Anwesenden.
    »Herr Vorsitzender«, sagte Peterson, »dies ist eine schwierige Zeit für die Strafjustiz. Dieser Mord geschah 1982, die Verhandlung fand 1988 statt. Damals präsentierten wir den Geschworenen Beweise, durch die Dennis Fritz und Ron Williamson überführt wurden, Beweise, die meiner Meinung nach zum damaligen Zeitpunkt überzeugend waren.«
    Ohne noch einmal darauf zurückzukommen, was genau die überzeugenden Beweise vor elf Jahren eigentlich gewesen waren, fing er an, davon zu faseln, wie die DNA-Tests nun viel von dem widerlegen würden, was er einmal geglaubt habe. Aufgrund des verbliebenen Beweismaterials könne er gegen die beiden Angeklagten keine Anklage erheben. Er beantragte, das Verfahren einzustellen, und setzte sich.
    Zu keinem Zeitpunkt fand Peterson versöhnliche oder bedauernde Worte, geschweige denn, dass er Fehler eingestanden oder sich entschuldigt hätte.
    Ron und Dennis erwarteten zumindest eine Entschuldigung. Zwölf Jahre ihres Lebens waren ihnen durch Fehlverhalten im Amt, menschliches Versagen und Arroganz geraubt worden. Das erlittene Unrecht hätte leicht verhindert werden können. Der Staat schuldete ihnen zumindest eine Entschuldigung.
    Die sollten sie nie bekommen. Das wurde zu einer offenen Wunde, die nie heilte. Richter Landrith machte ein paar Bemerkungen darüber, wie

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