Der Gefangene
Augenblick, da wollte er nicht fehlen. Sara Bonneil, Janet Chesley und Kim Marks - alle sangen mit. Greg Wilhoit und seine Schwester Nancy waren da. Die Familie Fritz - Dennis, Elizabeth und Wanda - saß Seite an Seite und amüsierte sich köstlich.
»In dieser Nacht feierten wir alle in Annettes Haus«, erzählte Renee später. »Es gab jede Menge zu essen, wir sangen und lachten. Annette spielte Klavier und Ronnie Gitarre. Wir anderen sangen dazu. Alle sangen, klatschten und hatten jede Menge Spaß. Um zehn Uhr wurde es still, weil die Nachrichten im Fernsehen kamen. Wir saßen im überfüllten Wintergarten und warteten auf die Nachricht, nach der wir uns so viele Jahre gesehnt hatten: Mein kleiner Bruder Ronald Keith Williamson war nicht nur frei, sondern unschuldig! Obwohl es solch ein glücklicher Augenblick war und trotz der allgemeinen Erleichterung, sahen wir an Ronnies Augen, dass ihn die vielen Jahre der Entbehrungen und des Leides krank gemacht hatten.«
Die Bekanntgabe in den Nachrichten wurde erneut gefeiert. Dann verabschiedeten sich Mark Barrett, Barry Scheck und einige andere. Der nächste Tag würde lang werden. Später am Abend klingelte das Telefon. Annette nahm ab. Ein anonymer Anrufer behauptete, der Ku-Klux-Klan sei in der Gegend und suche nach Ronnie. Es gehe das Gerücht um, dass jemand von den Carters einen Auftragskiller angeheuert habe, um Ron und Dennis ermorden zu lassen. Angeblich hatte sich der Ku-Klux-Klan auf dieses Geschäft verlegt. Im südöstlichen Oklahoma wurde der Klan immer wieder aktiv, aber es war Jahrzehnte her, dass ihm ein Mord zur Last gelegt worden war. Normalerweise hatte es der Geheimbund auch nicht auf Weiße abgesehen, doch in der aufgeheizten Stimmung war dem Klan ein solcher Job am ehesten zuzutrauen.
Auf jeden Fall hatte der Anruf eine ernüchternde Wirkung. Flüsternd gab Annette die Botschaft an Renee und Gary weiter. Sie beschlossen, die Drohung ernst zu nehmen, Ronnie aber nichts davon zu sagen.
»Die glücklichste Nacht unseres Lebens wurde zur schlimmsten«, erzählte Renee. »Wir beschlossen, die Polizei anzurufen. Die weigerte sich, jemanden zu schicken. Solange nichts passiert war, konnte man angeblich nichts tun. Wie konnten wir so naiv seinund denken, die würden uns schützen? In Panik rannten wir durchs Haus, ließen die Jalousien herunter, versperrten Fenster und Türen. Es war klar, dass niemand schlafen würde, weil jeder mit den Nerven am Ende war. Unser Schwiegersohn sorgte sich um seine Frau und ihr wenige Wochen altes Baby. Wir versammelten uns zum Gebet und baten den Herrn, uns Ruhe zu schenken und seine Engel über das Haus wachen zu lassen. Niemandem geschah etwas. Der Herr hatte uns wieder einmal erhört. Im Nachhinein ist es geradezu komisch, dass unser erster Gedanke war, die Polizei von Ada anzurufen.«
Ann Kelley von der Ada Evening News verbrachte einen ganzen Tag mit der Berichterstattung über die Ereignisse. Am Abend erhielt sie einen Anruf von Staatsanwalt Chris Ross. Ross beschwerte sich aufgebracht über die Diffamierung von Staatsanwaltschaft und Polizei. Niemand interessierte sich dafür.
Früh am nächsten Morgen, am Beginn ihres ersten vollen Tages in Freiheit, fuhren Ron und Dennis mit ihren Anwälten Mark Barrett und Barry Scheck zum örtlichen Holiday Inn, wo ein Kamerateam von NBC auf sie wartete. Sie gaben ein Live-Interview für die Sendung Today. Ihr Gesprächspartner war Matt Lauer.
Die Berichterstattung kam nun erst so richtig in Schwung. Die meisten Journalisten waren noch in Ada und sahen sich nach Leuten um, die irgendwie mit dem Fall oder den Betroffenen zu tun hatten. Glen Gores Flucht kam ihnen wie gerufen. Gemeinsam fuhren die beiden frisch Rehabilitierten, ihre Familien und ihre Anwälte nach Norman, wo bei der Behörde für die Strafverteidigung Mittelloser eine weitere Feier geplant war. Ron sagte ein paar Worte und bedankte sich bei allen, die sich so engagiert für ihn und seine Freilassung eingesetzt hatten. Danach ging es in aller Eile nach Oklahoma City, wo sie für die Fernsehsendungen Inside Edition und Bürden of Proof ' vor die Kamera traten.
Scheck und Barrett versuchten, ein Treffen mit dem Gouverneur und wichtigen Abgeordneten zu organisieren, bei denen sie sich für Gesetze einsetzen wollten, die DNA-Tests erleichterten und Entschädigungszahlungen an zu Unrecht Verurteilte gewährleisteten. Die Gruppe begab sich zum Oklahoma State Capitol, um Hände zu schütteln und ein wenig Druck
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