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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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auszuüben. Außerdem war eine weitere Pressekonferenz vorgesehen. Das Timing war perfekt. Die Medien folgten ihnen überallhin. Der Gouverneur war ein hart arbeitender Mann und zu beschäftigt, um sie zu empfangen. Also schickte er einen seiner wichtigsten Berater, einen kreativen Menschen, der fand, Ron und Dennis sollten sich mit den Richtern vom Revisionsgericht für Strafsachen treffen. Was dabei herauskommen sollte, war unklar. Allgemeine Verbitterung möglicherweise. Da es Freitagnachmittag war, waren die Richter jedoch ebenfalls zu beschäftigt. Nur eine Richterin wagte sich aus ihrem Amtszimmer, um die Gruppe zu begrüßen, und sie war harmlos. Sie hatte dem Gericht noch gar nicht angehört, als die Verurteilung von Fritz und Williamson bestätigt wurde.
    Barry Scheck reiste zurück nach New York, Mark Barrett blieb in Norman, wo er wohnte, und Sara fuhr zurück nach Purcell. Die hektischen Aktivitäten ließ ein wenig nach. Alle brauchten eine Pause. Dennis und seine Mutter blieben bei Elizabeth, die in Oklahoma City wohnte.
    Auf der Rückfahrt nach Ada saß Annette am Steuer. Ron hatte zur Abwechslung auf dem Beifahrersitz Platz genommen. Keine Handschellen. Keine gestreifte Gefängniskleidung. Kein bewaffneter Deputy, der ihn beobachtete. Vor dem Fenster flog die Landschaft des südöstlichen Oklahoma mit ihren Farmen, den vereinzelten Bohrtürmen und den sanft geschwungenen Hügeln vorbei.
    Er wollte nur noch weg.
    »Es war fast, als müssten wir uns neu kennenlernen, weil er so lange nicht mehr Teil unseres Lebens gewesen war«, sagte Renee später. »Der Tag nach seiner Freilassung war wunderschön. Ich bat ihn, Geduld mit uns zu haben, weil wir so viele Fragen hatten. Wir brannten darauf, zu erfahren, wie sein Leben in der Todeszelle gewesen war. Er ging sehr lieb damit um und antwortete ein paar Stunden lang geduldig auf unsere Fragen. >Woher kommen die Narben an deinen Armen?<, fragte ich zum Beispiel. >Ich hatte solche Depressionen, da hab ich mich selbst geschnitten, antwortete er. Wir fragten ihn, wie seine Zelle aussah, ob das Essen genießbar war und so weiter. Aber nach vielen Fragen sah er uns an und sagte: >Ich möchte nicht mehr darüber sprechen. Lasst uns von was anderem reden.< Daran hielten wir uns. Er saß oft bei Annette auf der Terrasse, spielte Gitarre und sang dazu. Manchmal konnten wir ihn von drinnen hören. In solchen Augenblicken konnte ich die Tränen kaum zurückhalten, wenn ich daran dachte, was er durchgemacht hatte. Immer wieder ging er zum Kühlschrank, öffnete die Tür und stand einfach nur da, während er überlegte, was er essen wollte. Es faszinierte ihn, dass so viel Essen im Haus war, vor allem, weil er wusste, dass er sich davon nehmen konnte, soviel er wollte. Dann wieder stand er mit ehrfürchtigem Blick am Küchenfenster und meinte, was für schöne Autos wir hätten. Von manchen Modellen hatte er noch nie gehört. As wir einmal im Auto unterwegs waren, sagte er, wie anders es sei, Menschen gehen und laufen und ihre täglichen Besorgungen erledigen zu sehen.«
    Ron freute sich darauf, wieder in die Kirche zu gehen. Annette hatte ihm nicht von dem Vorfall mit dem Pastor erzählt und würde es auch nie tun. Mark Barrett und Sara Bonneil waren eingeladen, weil Ron sie bei sich haben wollte. Die ganze Williamson-Gruppe erschien zum Sonntagsgottesdienst und stürmte sofort in die erste Reihe. Annette saß wie immer an der Orgel. Als sie lautstark das erste Kirchenlied anstimmte, sprang Ron auf. Von seinem Glauben erfüllt, klatschte und sang er mit einem strahlenden Lächeln.
    Während der Bekanntmachungen erwähnte der Pastor Rons Heimkehr nicht, aber zumindest sagte er im Gebet, Gott liebe jeden, selbst Ronnie.
    Annette und Renee kochten vor Wut.
    Ein Gottesdienst in einer Pfingstgemeinde ist nichts für Schüchterne. Als die Musik anschwoll und der Chor in schaukelnde Bewegung geriet, wurde es ziemlich laut in der Versammlung. Ein paar Gemeindemitglieder gingen zu Ron, um ihn zu begrüßen, zu umarmen und willkommen zu heißen. Aber es waren wenige. Die anderen guten Christen starrten wütend auf den Mörder in ihrer Mitte.
    Nachdem Annette die Kirche an jenem Sonntag verlassen hatte, kehrte sie nie zurück. Die Sonntagsausgabe der Lokalzeitung von Ada brachte auf der Titelseite einen Artikel unter der Überschrift »Staatsanwalt verteidigt seine Arbeit in Sensationsprozess«. Das Blatt hatte ein Foto von Bill Peterson hinter einem Pult abgedruckt, wie er vor

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