Der Gefangene
festgestellt, dass man Gore vergessen hatte. Dennis Smith besorgte sich Kopf- und Schamhaare von Gore und von Ricky Joe Simmons, jenem Mann, der den Mord an Debbie Carter gestanden hatte, und schickte die Proben an Melvin Hett, der offenbar viel zu tun hatte, denn ein Jahr lang geschah gar nichts. Im Juli 1987 wurde Gore ein zweites Mal um Haarproben gebeten. Warum?, fragte er. Weil die Polizei seine ersten Proben nicht mehr finden konnte. Monate vergingen, ohne dass Hett ein Gutachten schrieb. Im Frühjahr 1988, während der Prozessbeginn näher rückte, existierte immer noch kein Gutachten über die Haarproben von Gore und Simmons.
Am 7. April 1988 - der Prozess von Fritz lief bereits - gab Melvin Hett schließlich sein drittes und letztes Gutachten heraus. Die Haare von Gore stimmten nicht mit den am Tatort gefundenen überein. Hett hatte fast zwei Jahre gebraucht, um zu diesem Ergebnis zu kommen. Seine Zeitplanung war über jeden Verdacht erhaben. Sie war ein weiterer eindeutiger Beweis dafür, dass die Anklage so felsenfest an die Schuld von Fritz und Williamson glaubte, dass sie es nicht einmal für nötig hielt zu warten, bis die Haaranalyse abgeschlossen war.
Trotz ihrer Gefahren und Unsicherheiten war Melvin Hett ein treuer Anhänger der Haaranalyse. Er und Peterson freundeten sich miteinander an, und vor Beginn des Prozesses von Fritz schickte er Peterson einige Artikel aus Fachzeitschriften, die die Zuverlässigkeit der Haaranalyse als Beweismittel anpriesen, obwohl ihre Unzuverlässigkeit allgemein bekannt war. Von den zahlreichen Artikeln, die die Beweiskraft von Haaranalysen anzweifelten, gab er allerdings keinen einzigen an den Staatsanwalt weiter.
Zwei Monate vor Beginn des Prozesses fuhr Hett nach Chicago und übergab seine Ergebnisse einem privaten Labor namens McCrone. Dort überprüfte ein gewisser Richard Bisbing, ein Bekannter von Hett, dessen Arbeit. Bisbing hatte von Wanda Fritz den Auftrag erhalten, die Ergebnisse der Haaranalyse zu überprüfen und vor Gericht auszusagen. Um den Sachverständigen bezahlen zu können, hatte Wanda Fritz das Auto ihres Sohnes verkaufen müssen.
Es stellte sich heraus, dass Bisbing erheblich effizienter mit seiner Zeit umging, doch seine Ergebnisse waren genauso widersprüchlich wie Hetts Analysen.
In weniger als sechs Stunden widerlegte Bisbing nahezu alle Ergebnisse von Hett. Nachdem Bisbing die elf Schamhaare untersucht hatte, von denen Hett sicher war, dass sie mikroskopisch gesehen mit denen von Fritz übereinstimmten, stellte er fest, dass diese Aussage nur auf drei der Haare zutraf. Nur drei Schamhaare hätten von Dennis Fritz stammen können. Bei den anderen acht hatte Hett sich geirrt.
Hett, der sich nicht im Geringsten davon beeindrucken ließ, dass seine Arbeit von einem anderen Experten als fehlerhaft bewertet wurde, fuhr wieder nach Oklahoma. Seine Aussage vor Gericht wollte er auf keinen Fall ändern.
Am Nachmittag des 8. April, eines Freitags, trat er in den Zeugenstand und begann sofort mit einer ausufernden Vorlesung, in der es von Fachbegriffen nur so wimmelte. Sie sollte die Geschworenen eher beeindrucken als informieren. Dennis, der einen Collegeabschluss hatte und Naturwissenschaften unterrichtete, konnte Hetts Ausführungen nicht folgen, und er war sicher, dass auch die Geschworenen kein Wort verstanden. Er sah mehrere Male zu ihnen hinüber. Sie waren völlig verwirrt, aber offenbar sehr beeindruckt von diesem Sachverständigen. Er war ja so gebildet. Hett warf mit Wörtern wie »Morphologie«, »Kortex«, »Schuppenstrukturtypen«, »Oberflächenteilung«, »Kortexspindeln« und »ovoide Körper« um sich, als wüssten alle im Gerichtssaal ganz genau, was er damit meinte. Nur selten einmal nahm er sich Zeit, etwas zu erklären.
Hett war der Star unter den Sachverständigen und strahlte Vertrauenswürdigkeit aus, was noch verstärkt wurde durch seine Erfahrung, seine Ausdrucksweise, sein Selbstvertrauen und die Schlussfolgerung, dass einige der von Dennis Fritz stammenden Haare mit einigen der am Tatort gefundenen übereinstimmten. Während der Befragung durch den Staatsanwalt sagte Hett sechs Mal, dass Dennis' Haare und die Haare am Tatort mikroskopisch gesehen übereinstimmten und von derselben Quelle stammen könnten. Dagegen erwähnte er kein einziges Mal, dass es genauso gut möglich war, dass die Haare nicht von derselben Quelle stammten.
Während Hetts Zeugenaussage nahm Bill Peterson immer wieder Bezug auf »den
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