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Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Stern
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gekleidet hätte. Diese Gewänder setzten sich aus fein gesponnenen hebräischen Lettern zusammen, die Gottes Wesenheit in sich trugen, und wenn man diese Buchstaben anagrammartig verschob - Bernie malte sich das Vertauschen von Ärmeln und Hosenbeinen aus, um sie fantastischen Wesen anzupassen -, konnte man den Lauf von Galaxien verändern. Als er bereits von einem Übermaß an magischem Wissen zu platzen drohte, wies der Rabbi den Jungen an stillzuhalten.
    »Versenkst du dich jetzt in das Wort ani (), woß heißt auf Hebräisch ich .« Dann forderte der Alte ihn auf, das Wort im Geist umzuformen in ein anderes: ain (), Nichts .
    Als er eine Weile darüber meditiert hatte, wurde Bernie schwindlig, und er richtete die schielenden Augen geradeaus, um sich wieder zurechtzufinden. Doch schon legte ihm der Rabbi die nächste Aufgabe vor. Er sollte sich das Tetragrammaton vorstellen und dann diese vier Buchstaben des Namens Gottes neu anordnen. Er erfuhr die Zahlenwerte der vier möglichen Schreibweisen dieser Buchstaben; diese umfassten die Regenbogenfäden des Gewands der Thora mit seinen zweihunderteinunddreißig Knopflöchern, die seit der Zerstörung des Tempels die Tore der Tränen hießen.
    Während er den Anleitungen des Rabbis folgte, fragte sich Bernie, was diese arkanen Übungen mit seinen unausgesprochenen Wünschen gemein hatten, deren Ziel er nicht mehr erkennen konnte. Doch das leise Prickeln in seinem Kopf war nicht zu leugnen. Es fühlte sich an, als wäre an seinem Kopf ein Deckel gelüpft worden wie das Dach eines Cabrios, um seinen Inhalt den Elementen preiszugeben. Dann wehten wie durch ein geöffnetes Fenster in sein simmerndes Gehirn die Visionen herein. Er hörte die Stimme des Rabbis, dessen Satzbau auf einmal makellos war. Und obwohl er alles begriff, wusste der Junge nicht, in welcher Sprache der Alte redete: »Wie die Hand vor dem Auge den Berg verdeckt, so verbirgt unser kleines Leben die Geheimnisse, von denen die Welt voll ist.« Er vernahm die Rätsel, die ihm der Rabbi vorlegte: Welcher Adler baut seinen Horst in Frauenhaar, wo seine Jungen von noch nicht erschaffenen Geschöpfen geraubt und an Orte entführt werden, die nicht existieren? Wer ist die schöne Jungfrau mit zwei linken Brüsten? Und Bernie glaubte die Antworten zu kennen. Überall sah er Verbindungen: Zum Beispiel hatte das Rotkehlchen im Geißblatt draußen vor dem Fenster seinen eigenen Stern und jeder Stern wiederum das ihm zugeordnete himmlische Wesen, das den Vogel nach seinem Rang vor Ihm repräsentierte, dessen Name geheiligt war. Er bemerkte, dass gewisse Sterne an Pfauenschwänzen bestimmte Kräuter mit dem Namen »deliriöses Elixier« beeinflussten, ganz zu schweigen von körperlichen Ausscheidungen und Damenfrisuren; dass der Durchmesser des Penis und der Umfang des dritten Auges eines Menschen beeinflusst wurden von den phosphoreszenten Flugbahnen der Kometen am Firmament. Bernie erblickte den Thron der Herrlichkeit, eine Art riesigen Lehnsessel, der dringend abgestaubt werden musste, und den göttlichen Wagen mit Traktorprofil; er schaute die schechina, die göttliche Gegenwart, in ihrem weiblichen Aspekt, in einer Schulmädchenuniform. Als Sie Ihren Rock hob, spürte Bernie, wie sein Fleisch Funken schlug, seine Sehnen Feuer fingen, die Netzhaut verglühte, die Wimpern Blitze schleuderten, aus den Follikeln Flammen schossen. Umringt von hybriden Wesen mit gespaltenen Hufen und Elfenbeinflügeln, rief er die Worte des Patriarchen Jakob aus, die er nie gekannt hatte: »Sie haben mich umringt, ja, sie haben mich umringt wie Bienen.« Nachdem die Wesen gemeinschaftlich auf den lodernden Bernie Karp uriniert hatten, verschwanden sie und ließen von ihm nur noch einen schwelenden Haufen zurück. Dann kehrten seine Sinne allmählich in die irdische Welt zurück, und er nahm wieder den alten Mann in einem zu großen Bademantel wahr, der die Wiederholung einer Folge von Dating Game verfolgte.
    Kichernd deutete Rabbi Elieser auf den Junggesellen Nummer zwei, einen Abstinenzler, der soeben seinem Wunsch Ausdruck verliehen hatte, Pflaumensaft aus dem Schuh der Junggesellin zu schlürfen.
     
    Dann kam der Abend, an dem Mr. Karp seinen Sohn fragte, ob er etwas über gewisse Bücher wusste, die bei der Bibliothek der Gemeinde Felix Frankfurter entliehen worden waren. Offenbar hatte Rabbi Tommy Birnbaum in einem Anruf seine Sorge über einige »mystizistische« Bände kundgetan (der Widerwille bei dem Wort war dem Rabbi

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