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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Zivilflughafens, beobachteten mit einem Fernglas die Bewegungen verdächtiger glänzender Punkte am Himmel und entdeckten weder Raumschiffe noch Gott, doch wir weigerten uns aufzugeben. Amir war eigentlich bereit dazu. Ich sagte zu ihm: «Stell dir den Tag vor, diesen einen Tag, an dem wir ganz normal aufwachen, Nachrichten hören, und der Sprecher meldet mit tiefer, bebender Stimme, dass ein außerirdisches Raumschiff gelandet ist. Er verliest Notstandsanweisungen. Fordert auf, die Beherrschung zu wahren. Teilt neue Entwicklungen im 15-Minuten-Takt mit. Also, wie viele Überraschungen hat ein Mensch wohl im Leben? Mit zehn kennt er die Geheimnisse der Welt, alles was ihn in Erstaunen versetzen könnte, ist bekannt, das ist der Erdball, Nordpol, Südpol, das sind die Guten und die Bösen, die Berufe, die Beschäftigungen und hier die Optionen, die dir zur Verfügung stehen, bald wirst du Sex haben, anschließend Kinder, mehr brauchst du nicht erwarten. Und das war’s. Der Tod vollzieht traurige Amputationen. Wir alle werden sterben, bevor eine ganze Menge Dinge passiert.»
    «Aber warum ist es dir so wichtig zu glauben, dass Außerirdische existieren?», fragte Amir.
    «Weil es einfach unlogisch ist, dass es keine gibt», antwortete ich eigensinnig. «Sie werden landen, und zwar ausgerechnet hier, und was werden sie über uns denken?»
    «Dass wir geil sind», erwiderte Amir, «hauptsächlich, dass wir geil sind.»
    Und dann wurde er religiös. Teilte mir das auf der Brücke mit. Der Schahriwar endete, und ich war derjenige, der fortging, allein. Ich musste Nilu heiraten.
    Das waren die Gedanken, die ich hatte, als ich auf dem neuen Moped im verschneiten Teheran den Weg verlor. Als ich endlich zur Wohnung zurückfand, war ich immer noch nicht reif zum Einschlafen. Zahra lag zusammengesackt und besinnungslos im dunklen Salon, in der gleichen Stellung, in der wir sie verlassen hatten. Der Kater und ich schlüpften hinter ihr vorbei in mein Zimmer. Ich bekam Gänsehaut von der Stille, sogar das Schmelzwasser hatte aufgehört, vom Dach zu tropfen. Nur das schummrige Computerlicht flimmerte. Ich holte Eis aus der Küche, mit Schokoladen- und Erdbeersirup, eine Cola und Knabberzeug, und füllte mich damit ab, um meinen Körper zu beschweren, ihn müde zu machen und den Puls zu verlangsamen. Google war blockiert. Ein Fenster: «Das gewünschte Material wurde gemäß den Gesetzen und Statuten der Islamischen Republik zensiert. Wir entschuldigen uns, falls wir Ihnen damit Unannehmlichkeiten verursacht haben sollten.» Gelbe und orangefarbene Laubblätter stoben über die Seite. Ich aß weiter, während ich mir Filme auf naughtyamerica.com ansah, Lehrerinnen, die ihre pubertären Schüler auf den Klassenzimmertischen zum Sex verführten, und mir wurde übel vor lauter Porno und Schokolade. Auf der Website der Polinnen trieben sich nur Verzweifelte und Einsame herum. Die Polinnen traf ich nicht an. Ich hatte Sehnsucht. «Brauche dringend die Lippen eines Schwarzen», schrieb eine Holländerin. «Irgendwo ein geiles junges Mädchen, das jetzt durchgefickt werden möchte?», fragte ein älterer Berliner. Erschöpfte Zeilen von einem, dem es nicht gelungen war, sich für die Nacht einzudecken. Die ersten Ausläufer der Sonne färbten das nackte Fenster bereits bläulich, und ich warf mich über die ganze Breite des Betts, matt wie der Schnee, der draußen taute. Die Vögel erwachten, und ich war wie eine halbe Leiche. Trockener Donner. Herr Ali Samimi pflegte zu sagen: «Manchmal denkst du, dass du in der Routine gefangen bist, und erst wenn dir die Routine abhandenkommt, begreifst du, dass dir die Freiheit gestorben ist.» Um sieben Uhr morgens piepte eine Textnachricht, Amir hatte es nicht vergessen. «Junge, du bist um ein Jahr jünger geworden. Genieß es. Mit Liebe.» Ich hasste ihn. Und schlief wieder ein. Zehn Stunden schlief ich wie gelähmt. Ich versuchte, mich im Schlaf zu bewegen, die Stellung zu verändern, eine Hand herauszuziehen, die unter mir zerquetscht wurde, einen Fuß aus der Decke zu strecken, an die Luft, oder selbst tief atmend Luft zu holen, umsonst. Ich war ein Eisenklumpen, wie versteinert, als hätten Alkohol oder Drogen mich jeder Lebensäußerung beraubt. Am Nachmittag wachte ich entsetzt auf, mit einem abrupten Ruck und Kopfschmerzen. Zahra stand über mir. Sie hatte ein gleichmütiges, alltägliches Gesicht, doch sie sagte: «Ich habe keine Ahnung, wo Babak ist.» Babak war nicht mit den

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