Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
Vom Netzwerk:
morgendlichen Leckereien von der Bäckerei gekommen. Babak war nicht aus dem Büro heimgekommen. Babak hatte keine Nachricht hinterlassen. Sie hatte bei ihm an die Tür geklopft, keine Reaktion erhalten, hatte Schnecke angerufen, doch das Telefon war abgestellt.
    Es gab unbeantwortete Anrufe auf meinem Mobiltelefon. Nilu hatte es den ganzen Vormittag versucht, fünf Mal. Ich wählte. «Prinzessin», sagte ich, «es tut mir leid, ich habe geschlafen.»
    «Du Nervtöter, wohin bist du verschwunden?»
    «Babak ist weg.»
    «Kann ich dich nachher nochmal anrufen? Ich bin gerade beim Motorsportverband, sie haben mich zu einem Treffen bestellt.»
    «Ich mache mir Sorgen, Nilu, Babak ist verschwunden.»
    «So richtig verschwunden?»
    «Momentan ist er verschwunden.»
    «Das wird sich regeln, mein Tschutschu.»
    «Aber was kann man tun, Nilu?»
    «Gar nichts kann man tun.»
    «Und wenn er richtig verschwunden bleibt?»
    «Manchmal verschwinden Schwule. Was kann man schon machen?»
    «Aber wo könnte man nachforschen?»
    «Im Moment nirgends, Kami, ich kann jetzt nicht reden. Ich liebe dich. Küsse.»
    Zahra und ich gingen in den ersten Stock hinunter, klopften schwach an die Holztür, und dann steckte sie einen Schlüssel ins Schloss und drehte ihn langsam, als fürchte sie den Anblick, der sie in dem Apartment eventuell erwartete, ein Mordschauplatz mit Blutpfützen vielleicht? Drinnen war es eng wie sonst auch, aber dunkel. Wir hatten Angst, etwas anzurühren. Vielleicht würde Babak im nächsten Moment kommen und uns vorfinden, wie wir bei ihm herumschnüffelten? Er war verschämt, diskret und hysterisch. Vielleicht würden wir Schwulensachen finden, von denen er vorzog, dass sie nie jemand zu Gesicht bekäme? Vielleicht würde die Polizei kommen und nach Fingerabdrücken suchen? Dann wären wir die Hauptverdächtigen. «Man muss herausfinden, ob er heute Nacht hier geschlafen hat», flüsterte Zahra. Aber woher sollte man das wissen? Die Steppdecke war akribisch am Bettende gefaltet und geglättet. Sein Mobiltelefon war nicht da. Sein Rucksack war nicht da. Ich liebte den Geruch nach diesen bunten Kaugummikugeln. Ich wanderte in dem kleinen Raum umher, umringt von den Augen seiner fotografierten Helden, die mich bedrückt von den kalten Wänden herab anblickten. Es war wirklich eng bei ihm, dachte ich, ein Verschlag, man sollte mit siebenundzwanzig nicht so leben. Ich wollte nichts berühren, ging fast auf Zehenspitzen, suchte nach Spuren, Hinweisen. Hatte er begriffen, dass es passieren würde? War er verängstigt? Ich streckte einen mit meinem Hemdsärmel umwickelten Finger aus im Bemühen, keine Abdrücke zu hinterlassen, bewegte vorsichtig Türen und Schubladen, spähte hinein. Die Porträts, so erschien es mir, bei ihnen war das Leben einfach, ohne Komplikationen, alles klar, vielleicht war es das, was Babak an ihnen liebte, er wollte Gesichtern so nahe wie möglich sein, für die es einfach war. Kann ein Mensch, bei dem alles einfach ist, etwas Besonderes sein? «Was macht man, wenn ein Mensch verschwindet?», fragte ich mich laut. «Als Erstes meldet man ihn wohl als vermisst und hofft, dass sich das Rätsel aufklärt.»
    «Aber woher denn!», rief Frau Safureh, die gerade eintrat, scharf und kämpferisch. «Er ist ein Homosexueller, er ist verschwunden, es ist völlig klar, was passiert ist, da gibt es kein Rätsel, und es wird nichts nützen, irgendeine Meldung zu erstatten.»
    «Aber warum hat niemand etwas mitgeteilt?»
    «Warum sollten sie eine große Affäre aus einer Bagatelle machen? Manchmal verschwinden Homos.»
    «Man muss Schnecke benachrichtigen.»
    «Und wenn es Schnecke war, der ihn ans Messer geliefert hat? Schnecke ist der Hauptverdächtige.»
    «Das kann nicht sein! Vielleicht die Nadschafians?»
    «Auch die Familie Nadschafian zählt zu den Hauptverdächtigen.»
    «Wenigstens Babaks Eltern sollten wir es mitteilen. Hat er Familie?»
    «Wer weiß? Von uns weiß es keiner.»
    «Viel wissen wir nicht gerade über ihn, wenn man so darüber nachdenkt. Nehmen wir wenigstens einen Rechtsanwalt, Sie kennen doch bestimmt einen.»
    «Kein Rechtsanwalt wird in diesem Stadium helfen, Kami», winkte Frau Safureh ab. «Du solltest dich nicht damit beeilen, uns alle als Feinde der Revolution zu kennzeichnen, es ist besser, Vorsicht walten zu lassen. Wenn sie Babak haben, werden sie auch auf uns kommen, das ist nur eine Frage der Zeit.»
    «Aber was kann man tun?»
    «Tief durchatmen.»
     
    Noch immer ohne

Weitere Kostenlose Bücher