Der geheime Basar
zu, wenigstens zu erfahren, wohin sie genau verschwunden sind, oder nicht?»
Die Franzosen beeilten sich, Mitgefühl an den Tag zu legen, und baten um Einzelheiten.
«Das ist unklug», sagte Nilu erschrocken und gab mir ein warnendes Zeichen.
«Vielleicht kann uns internationaler Druck helfen», rief ich zu ihr hinüber.
Sie ließ ihre Fotopose im Stich und kam zu mir. «Das wird dich in Schwierigkeiten bringen, Kami. Und es wird auch Babak gefährden. Es ist unklug, in diesem heiklen Stadium einen Aufstand gegen die juristische Instanz anzuzetteln. Warte.»
Die Franzosen versprachen, nicht darüber zu schreiben.
Eine angenehme und merkwürdige Woche folgte. Jeden Tag um zehn Uhr morgens entführte Nilu mich klammheimlich aus der Uni, und wir versuchten, bei frischem Melonensaft zu lernen, auf einer Bank gegenüber dem Hof des Museums für moderne Kunst im Japanischen Garten. Am Mittag spielte ich Handball mit ihren Freunden, während sie vom Rand aus über mich wachte und mich anfeuerte. Danach schleppte sie mich in ein Kopftuchgeschäft, um mit mir über Farben zu beratschlagen. «Meine Schwester, achte auf den Schal, mein Bruder, achte auf deine Augen, die Kopfbedeckung ist ein Schutz für die Frau.» Eine ganze Stadt hielt uns beschäftigt, erstickte uns mit seiner gewürzdurchsetzten Luft, lag uns mit Stil zu Füßen: das Teppichmuseum, der Laden mit den ausländischen Büchern, Ketab Sara, die Antiquitätenhändler, die Kupfer- und Bronzekrüge. Eine Stadt voll charmanter Charaktere, höflich und gelackt, die sich schnell erhitzten und explodierten, den Daumen mit einer unanständigen Geste in die Höhe streckten und fluchten. Wir beendeten die turbulenten Tage mit einem schnellen Abendspaziergang auf den Bahngleisen, die uns hinaus in die Stille führten. Wir liebten die entlegenen Gesichter dort, runzlig und staunend, schritten zwischen ihnen hindurch. Nilu ging schweigend voran, ich, einen Schritt hinter ihr, starrte die roten Lichter der Signalampeln an, den verschwimmenden Schein, wenn schwere, alte Züge uns in Treibstoff- und Metallwolken verdampfen ließen, alte Waggons, die die ganze Geschichte durchquert hatten und anscheinend nicht die Absicht hatten, jemals anzuhalten. Am Ende des Wegs kletterten wir auf den Turm des Schrankenhäuschens und küssten uns. Wortlos saßen wir dort oben und atmeten. Wie auf einem Baumhaus in der Kindheit. Nilu half mir, mit der «Teheran Times» Englisch zu üben. Auch den «Guardian» hatte sie abonniert. Es war angenehm, den Geruch des Zeitungspapiers zu inhalieren wie ein junges britisches Paar, das Gefühl zu haben, wir seien hier in London (was machte es da schon, wenn die Ausgaben mit großer Verspätung eintrafen und die Bilder zensiert waren?). Die Tage vergingen schnell, und am Donnerstagmittag um zwölf, wenn die Banken schlossen und das Wochenende begann, donnerten wir mit dem Moped die Startbahn auf dem neuen Flughafen entlang, dicht am Zaun, und an ihrem Ende streckten wir uns auf den blendenden Leuchtplanken aus wie sterbende Schmetterlinge, fast an dem Punkt, wo die Räder des abhebenden Flugzeugs das Eisentor zu streifen schienen, wir verstopften uns die Ohren und brüllten, während Nilus schwarzer Schal mit den Maschinenflügeln abhob. Das war so befreiend, wie aus einem Raumschiff zu fallen.
«Vielleicht stürzen wir uns vom Bungee-Kran im Eram-Park? Es muss eine Hürde geben, damit es Glück gibt», erklärte Nilu und ließ ihre Unterhose bis zu den Knien hinunter. Sie stand vor mir in einem orangefarbenen, verführerischen Unterhemd und flehte mit glühenden Lippen um Berührung. «Auch Revolutionäre brauchen Ferien», sagte sie, «du bekommst alles, was du dir wünschst, mein Kami, schließ die Augen und schwebe, aus der Vogelperspektive wird alles so viel besser aussehen, du musst einfach den Kopf ausschalten.» Sie würde eine Freundin mitbringen, sagte sie, wir würden einen Dreier machen, Partnertausch, uns selbst auf Video aufnehmen und es ins Netz stellen. Wir würden nicht nachgeben. Sie liebte ihr Leben wie einen Krieg.
«Nein, ich will nicht so sein, und selbst wenn ich wollte, ich kann nicht.»
«Tanz für mich, ich flehe dich an.» Unwillkürlich wollte ich ihre zarten Finger ergreifen, wenn sie sich aus dem schwarzen erstickenden Ärmel schlängelten, dankbar zusehen, wenn sie den Umhang ablegte und ein dünnes Mädchen mit kurzem Rock und schwarzen Strümpfen und mit einem blauen Pullover offenbarte. Die Liebe machte mich
Weitere Kostenlose Bücher