Der geheime Basar
Einkaufslistenleben gewollt, wie leicht hätte es für mich sein können. Doch Einkaufslisten machten mich traurig.
Auch am Dritten des Monats Ordibehescht ging ich nicht in die Universität. Ich stieg auf das Moped und fuhr zum Stand der verbotenen Bücher. «Was gibt’s Neues?», fragte ich lustlos. Und Muhammad zündete eine Wasserpfeife an, legte sich auf eine Matte und streckte die Hand nach einem offenen Band aus. «‹Wenn zu viele Dinge geschehen, mehr als du ertragen kannst, hast du die Wahl anzunehmen, dass nichts Besonderes passiert, dass sich dein Leben im Kreis dreht wie ein Plattenspieler. Und dann, eines Tages, wirst du dir bewusst, dass das, was du für einen Plattenspieler gehalten hast, glatt, eben und einheitlich, in Wirklichkeit ein Strudel war, ein Wirbel.› Saul Bellow», sagte Muhammad.
Ich wurde wütend. «Verschone mich mit deinen Sprüchen», fauchte ich und stieg wieder auf das Moped. Das Fereschteh-Viertel. Die Mariamstraße. Ich kletterte die steinernen Stufen zum Tor des Turms hoch. «Sobh be-cheir», sagte ich zu dem Wächter, «guten Morgen», und wandte den Blick ab, schlüpfte hastig durch die rosa Doppeltüren in den Aufzug. Ich drückte auf die dreißigste Etage. Mit hämmerndem Herzen stand ich vor der Tür des weißen Penthouses. Leise Violinenklänge glitten aus dem Lichtspalt unter der Tür über die Schwelle, gefolgt von einem Konzert und dem ansteigenden Lachen eines kleinen Mädchens, eines Babys vielleicht. Ich lauschte, als trennte uns die Tür, die einmal Nilu gehörte, nicht. Dann kletterte ich auf dem Moped die engen Gassen den Berg hinauf. In dem schattigen Dorf steckte ich den Schlüssel in das Stahlschloss des Eisenrollladens. Er ging in die Höhe. Ich schaltete die Kupferlampe an. Das Werkzeug war noch da, auf dem Boden der Werkstatt verteilt, doch es herrschte ein schreckliches Durcheinander. Metallsplitter und Holzbruchstücke, Chemikalienpfützen. Zigarettenstummel. Jemand hatte gewühlt, unser Rennauto befand sich jedoch noch an seinem Platz. Die Fahrertür stand offen, und ich setzte mich auf den Ledersitz. Ich verband drei Drähte miteinander, stellte einen Fuß auf das Gaspedal, ließ den Motor an. Ein langes Aufbrüllen erschütterte die Wände. Dann verstummte es. Ich hörte, wie Benzin ausströmte und auf den Boden plätscherte, anschließend einige Sekunden nichts, und dann ein kleines Aufblitzen, orangefarbene und blaue Fünkchen tanzten vor mir, zankten sich über dem bloßliegendem Motor. Eine kleine Flamme züngelte hoch. Ich versank im Sitz, starrte sie an, hohl, hypnotisiert. Das Gehirn sagte zu den Beinen, raus, hebt ein Knie und noch eins, setzt eine Fußsohle auf den staubigen Boden und dann die andere, tragt den Körper zur Küchennische, wo der Feuerlöscher steht. Löscht die Flamme. Das Gehirn sprach es, und ich hörte es. Doch ich blieb erstarrt vor der kletternden Flamme sitzen. Eine kleine Funkenexplosion schlug eine Feuerbrücke zum Rand des blauen Sofas. Zu den Farbbüchsen. Zu dem wollenen Teppichvorleger. Näherte sich dem Campinggaskocher, verzehrte die «Grundlagen des Bremssystems». Leckte vom Sofa zu den Deckenholzbalken empor. Doch ich konnte fühlen, wie ich Nilus Kopftuch abnahm, sie anblickte wie einen weißen, traurigen Schwan, mit beiden Händen durch ihr Haar fuhr. Sie auf das Sofa legte, ganz langsam, und wir hörten zusammen zu atmen auf. Ich versuchte vergeblich, mich an ihre letzten Worte zu erinnern.
Der Mittag des Tages, an dem sie verschwand. Ihr Telefon war wieder abgeschaltet. Ich sehnte mich nach ihr und langweilte mich, also fuhr ich los, um sie zu suchen. In der Werkstatt. Der Rollladen war heruntergelassen. Ich fand sie allein, untätig, dasitzen. Sie war erschrocken, als sie mich sah. Ich erschrak, als ich sah, dass sie erschrak. «Was ist los, Tschutschu?», fragte ich. Ich erinnere mich nicht daran, was sie antwortete. «Aber warum ist dein Telefon abgeschaltet?» Ich schaltete die Stereoanlage ein. Ein Klavier spielte, ein Stück von Fereydun. Ich schloss die Fenster, es wurde dunkel. «Fragst du mich, wie’s mir geht?», sagte ich. «Glücklich wie ein Pimmel auf dem Landsitz von Hugh Hefner», gab ich die Antwort und stürzte mich auf sie. Ich bedeckte sie mit Küssen, ich streifte ihr die schwarzen Lederstiefel ab, die mit merkwürdigen Schnallen zusammengehalten waren, zog ihr die schwarze Strumpfhose und die schwarze Unterhose aus, legte ihre weichen Fußsohlen um mich.
Sie lächelte, doch ihr
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