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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Aber wir sind selbst blind, denn die Fülle der Dimensionen bleibt auch uns verborgen. Vielleicht ein Dutzend, vielleicht unzählige. Es wird uns nie vergönnt sein, sie zu sehen, nicht dir, nicht uns, Erklärungen werden wir keine erhalten. Beim Leben Allahs, warum sollte es nicht viel mehr Dimensionen geben? Natürlich gibt es sie, und es ist bekannt.» Er nahm einen Schluck Tee. «Was willst du? Nun, was willst du?»
    «In welcher Hinsicht?» Ich war verwirrt.
    «Im Leben, was willst du im Leben?»
    «Ich weiß nicht», erwiderte ich beschämt, «ich kann es nicht sagen.»
    «Sag es ihm, Kami, sag’s», drängte mich Amir neugierig.
    «Ich weiß nicht. Ich möchte ein guter Mensch sein, zum Beispiel», sagte ich und versuchte auszumachen, ob sie mich belächelten. «Ich will mich selbst hin und wieder fragen, ob es zwingend nötig ist, dass ich lebe, und eine Antwort darauf haben, mit der ich im Reinen bin. Ich will einen Weg gehen, den nur wenige gegangen sind. Ich weiß, dass sich das wie ein Klischee anhört, aber das ist, was ich wirklich denke, das will ich, wofür sollte ich mich schämen.»
    «Ein Säugetier sucht nach Bedeutung», sagte der Nomade, «nach Bedeutung sucht es und nach Akzeptanz. Nicht du hast das erfunden. Aber wenn du auch Trost suchst, wird dir das helfen. Suche Trost und lebe die Geschichte, die für dich geschrieben wurde, mit Liebe. Akzeptiere sie, und es wird dir gutgehen.»
    «Die Geschichte?», fragte ich.
    «Die Geschichte, die für dich geschrieben wurde. Sie ist geschrieben, fertig und besiegelt. Es wird es dir leichter machen zu wissen, dass sie besiegelt ist.»
    «Und deiner Meinung nach habe ich keinerlei Wahlmöglichkeit, nach rechts oder links von der Geschichte abzuweichen?», fragte ich erzürnt.
    «Wenn du von der Geschichte abweichst, von deiner Bestimmung, wird dir Allah einen Prügel auf den Kopf hauen.»
    In der Bruthitze auf dem Weg zur Seidenstraße trafen wir einen Tierarzt im Anzug, der eine streunende Kuh jagte, auf die er einen Betäubungspfeil abgeschossen hatte, der sie aber verfehlte. Die Kuh war geflohen. Er schrie uns zu: «Helft mir, ich muss sie retten, sie wird hier verhungern, wenn ihr mir nicht helft.»
    «Wie können wir helfen?», fragten wir.
    «Sie einfangen. Hier wird sie nichts zu fressen finden, man muss sie wegbringen, einen Hof für sie finden. Unterernährung, Austrocknung, Hitzschläge, Wunden, so viel Leid», holte er aus, «und sie hat auch eine Depression, die Kuh, sie ist schockgeschädigt. Aber ich werde sie wieder auf die Beine bringen.» Die Kuh entkam ihm, doch der Veterinär verzweifelte nicht. Er schoss einen Pfeil nach dem anderen ab. Schließlich wurde sie getroffen, humpelte, stolperte, schlief ein. Und was jetzt? Wie wollte er sie überhaupt von hier wegschleppen? «Ein Lastwagen», sagte er. Aber wie hebt man einen derartig riesigen Fleischklotz auf einen Lastwagen? So weit hatte er noch nicht vorausgedacht. Doch es war wichtig, es zu versuchen. Er wollte sie retten. Er streichelte ihr den Hintern, striegelte ihr Fell, damit sie sich wohl fühlte, während sie schlief. Holte eine Erste-Hilfe-Tasche für Kühe heraus, zog eine Spritze auf. «Passt mal auf, wie es aussieht, ist das ein männliches Rind, keine Kuh, ein ernsthafter Stier von gewaltigen Ausmaßen.» Der Tierarzt verband ihm das Maul. «Er wird durcheinander sein, wenn er die Augen aufmacht, vielleicht sogar aggressiv. Wir werden uns bemühen, es ihm zu erleichtern.»
    «Wozu soll das gut sein?», fragte ich. «Wozu die Mühe?» Man wird ihn schließlich einsperren und schlachten, dachte ich, in einer Woche würde er auf einem Teller liegen. Was sollte diese Naivität? Man würde ihn bei vollem Bewusstsein schächten, wozu sollte man sich hier damit abplagen, ihn zu retten?
    «Für das Gefühl», antwortete der Tierarzt, «ich tue kleine gute Dinge für das Gefühl. Allah wird die Kuh von hier aus schon weiter behüten.»
    «Aber es ist ein Stier», korrigierte ich.
    Im scharfen Licht des Sonnenuntergangs, auf der versengten, gegerbten Erde, hievten wir den Hintern des betäubten Stiers auf einen ländlichen Schaflaster. «Die Tiere sind mit uns hier gefangen, begnadet mit Sinnen, die wir schon verloren haben, sie hören die Stimmen, die wir nie hören werden, schau sie an, und du wirst die Spiegelung deiner Gefühle sehen», so sagte der Tierarzt im Anzug. Und er vergalt es uns mit einem Geschenk, einem Damespielbrett mit hundert Quadraten und vierzig Steinen.
    Wir

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