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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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hast du damit angefangen?»
    «Ich war zehn. Mein Vater ließ mich im Hof herumfahren, das amüsierte ihn. Er wusste nicht, was für ein Monster dabei herauskommen sollte. Als ich elf war, fuhren wir schon auf die Dorfstraßen hinaus, ich schrammte Mauern, produzierte eine ganze Schrottsammlung im Hof. Mit vierzehn habe ich mich schon mit dem Autoschlüssel aus dem Haus gestohlen, wenn meine Eltern schliefen.»
    «Ziemlich frech», lachte ich.
    «Nicht wirklich», erwiderte sie.
    Ich ließ mich von ihr mitreißen – zwischen dampfenden Abgasen und acht brodelnden Fahrspuren. Die Straße war die blanke Anarchie mit den Gesetzen der Safari. Die Ampeln waren eine bloße Empfehlung, mit gegenteiligem Effekt. Sie zu Fuß zu überqueren, war Selbstmord. «Aber mach dir keine Sorgen», sagte Nilu, «von den achtundzwanzigtausend Menschen, die hier jedes Jahr bei Unfällen sterben, ist bisher kein einziger Rennfahrer gewesen.» Damit hielt sie abrupt vor dem Eingang eines japanischen Restaurants in der Bischanstraße. Der Chef des Hauses erkannte sie und führte uns in die Tiefe eines Innenraums mit ahornfarbenen Balken und weißen Wänden. Blaue und vergoldete Lampenschirme hingen von der Decke herab, daneben schwarze, mit japanischen Buchstaben verzierte Stoffbahnen. Ein kleines Schild – «Sei züchtig und achte die Gesetze des Islams» – ließ mich an Amir denken. Er spähte sogar hier von der Wand wie der große Bruder. Es gab bequeme blaue Sessel, doch Nilu wollte auf dem Boden sitzen, auf einem Polster. Also ließen wir uns an einem niedrigen Holztisch nieder. Ich spürte vielsagende Blicke und flüsternde Lippen überall. Vor lauter Panik vergaß ich, die Speisekarte zu studieren, auf der jedes Sushi offenbar Zehntausende Tuman kostete, und Nilu wählte ein Gericht für uns beide aus. Ich dachte, aha, es gelingt ihr nicht, den Charakter zu verbergen, den alle von ihr erwarten.
    «Es ist irgendwie merkwürdig», sagte ich.
    «Was?»
    «Ich weiß nicht.»
    «Was ist merkwürdig? Du darfst mich ruhig beleidigen!»
    «Warst du immer so?»
    «Wie?»
    «Du weißt schon, so eben.»
    «Herrschsüchtig?»
    «Resolut, sagen wir mal.»
    «Ich weiß nicht. Stört’s dich?»
    «Nein.»
    «Gut möglich, dass ich immer so war», sagte sie errötend.
    «Du hast deinen Eltern sicher das Leben schwer gemacht. Ich kann mir dich vorstellen, genau wie jetzt, aber in Klein. Das ist lustig.»
    «Vielleicht habe ich einmal übertrieben», erwiderte sie, «und sie haben mich nicht rechtzeitig gebändigt. Als ich in das Alter kam, um aufs Gymnasium zu gehen, entschloss ich mich für das Nikan, das hatte eine naturwissenschaftliche Ausrichtung. Ich hatte das Gefühl, ein technisch begabtes Mädchen zu sein, und wir wohnten nur zwei Straßen weiter, also fand ich es ganz natürlich. Ich war nicht fähig zu begreifen, was verboten hieß. Dass man dort nur Jungen aufnahm. Papa versuchte, mich davon zu überzeugen, dass es irgendeine verborgene Logik darin gebe, aber das interessierte mich nicht, ich erwartete, dass er mit mir kämpfen würde, dass er laut schreien und seine Beziehungen spielen lassen würde, alles tun, was er nur konnte. Doch mein Vater sagte zum ersten Mal im Leben zu mir: unmöglich. Es war eine Krise, ein Kampf, der nicht zu gewinnen war. Wochenlang redete ich nicht mit ihm, und dann, zwei Wochen vor Beginn des Schuljahrs, beschloss ich trotzig, mich in die technische Nezam-Mafi-Schule für Mädchen im Süden der Stadt einzuschreiben, extra im Süden. Ich zog zu meiner Großmutter in der Schamschiristraße, und nichts konnte mich aufhalten. Das war’s, dort ging ich zur Schule. Jeden Morgen verschwand ich unter dunkelgrauen Mänteln und schwarzen Stoffmassen, erstickte fast, aber ich lächelte.»
    «Ich kenne dieses Lächeln», sagte ich, «das Lächeln der Verzweiflung.»
    «Nein, glaub mir, ein Lächeln des Glücks, über kleine Dinge, ich hatte wirklich schöne Jahre dort mit echten Freundinnen, ab und zu kehre ich noch zurück, besuche den Schulhof, um mich daran zu erinnern, dass es auch gut sein kann, wenn die Dinge einfach sind. Vor zwei Wochen haben sie Bäume zum Tag der Bewahrung der Erde gepflanzt, da habe ich mitgemacht. Plötzlich verstand ich, wie leicht es dort eigentlich war: Lehrerinnen, die besser auf mich aufpassten als ich selbst, der starre Rahmen, der eingehalten werden musste, und die Mädchen, die kein Bedürfnis hatten, ein Raumschiff in eine andere Galaxie zu steuern, sondern liebend gern

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