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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Verspätung anzukommen», sagte ich zu ihr, und sie streckte mir eine Hand hin und zog mich hinein. Ich fühlte eine elektrisierende Wärme, hätte sie am liebsten in meiner Umarmung ertränkt, sie bis zum Ende ausgekostet. Sie nahm ihren Schal ab und stopfte ihn in die Tasche des Mantels, den sie auf einen mit Bergen von schwarzen Umhängen und langen Mänteln überladenen Garderobenhaken hängte. Dann schüttelte sie ihre Haare. Es war dunkel, doch ich sah zum ersten Mal ihr Haar. Es waren Mädchen in kurzen Kleidern da, und ein Junge, der uns Wodka-Redbull anbot. «Willst du?» Nilufar hielt ihn mir hin, doch ich sagte: «Nein danke.» Sie erkundigte sich, ob es sich um eine prinzipielle Ablehnung handle, worauf ich erwiderte, ich zöge es prinzipiell vor, heute Nacht keinen Blödsinn zu reden. Sie war die Schönste im Raum, auch die Strahlendste. Und ich war mit ihr zusammen. Ich war zu nichts anderem in der Lage, als nur sie anzustarren, obwohl es dort noch unendlich viele interessante Dinge gegeben hätte. Wieder holten mich die Fragen ein: War ich verliebt oder nur fasziniert von ihr oder bloß geschmeichelt? Es war traurig. Nicht wirklich traurig wie bei einem Unglück, sondern eine leise melancholische Niedergeschlagenheit, so ein schleichender, romantischer Kummer. Sie wirkte trunken vom Leben und ich wie eine schlaffe Feder, ein langweiliger Junge in einem Raum voller Menschen, die zu leben verstanden. Es war mir nicht fremd, eine schlaffe Feder zu sein, ich war es gewöhnt. Auf Hochzeiten, wenn ringsherum eine Fröhlichkeit herrschte, die mir künstlich erscheint, habe ich immer eine stille Traurigkeit durch mein Blut rinnen gespürt, die sagte, sie sind alle blind – hier ist ein Paar, dem es im günstigsten Fall gelingt, miteinander alt zu werden, aber wie viele entsetzliche Augenblicke erwarten sie auf dem Weg? Unzählige. Nicht nur Krebs oder Verkehrsunfälle, auch, sagen wir mal, einfach die Sorge um das Kind. Die Enttäuschung über das Kind. Die gegenseitige Enttäuschung. Es wird Tränen geben, ein ganzes Meer, finanzielle Probleme und Langeweile. Sie heiraten, es hilft, nicht allein zu bleiben, aber wozu die übertriebene Freude? Es sollte ausgewogen sein, so wäre es am besten, weder überschnappende Euphorie noch überraschter Absturz. Sie müssen auf alles gefasst sein. Verstanden sie das nicht? Ich bemühte mich immer, mir die erwartungsgemäßen schlimmen Momente nicht auszumalen, doch das war es, was ich sah, während alle tanzten, sich aneinanderdrängten und mit Essen vollstopften.
    «Nimm, das ist ganz leicht.» Nilu drückte mir ein hohes Glas in die Hand. «Wodka mit Melone und Minze.» Und ich ließ mich verführen.
    Der Fußboden der Villa, der mit teuren handgeknüpften Wollteppichen, die glanzrote Medaillons zierten, ausgelegt war, verschwand nach und nach unter den Leibern der Tanzenden. Die Musik war eine Mischung aus Pop und Dance, westlich und persisch, und dazwischen kam etwas Techno. Ich tanze nie. Wann würde sie es mir endlich verraten?
    Der Raum war in Rauchschwaden gehüllt, und Nilufar zog mich in Richtung Veranda. Auf den Tisch hatte jemand eine Schale mit bunten Pillen gestellt. Sie sagte: «Das ist Ecstasy.» Ecstasy? Nicht dass ich eine Ahnung gehabt hätte, was das genau besagte, aber es war gefährlich, man konnte daran sterben. Oder vielleicht durfte man der Regierung nicht glauben, und man starb überhaupt nicht daran – wie konnte man das wissen? Was machte eine Schüssel Ecstasy mitten im Haus? Das Zimmer war heiß und vollgepfercht. Eine Menge Fragen quälten mich, doch ich wusste nicht, wo ich anfangen sollte, also folgte ich ihr. Sie war völlig ruhig und vornehm gelassen. Eine Schiebetür öffnete sich, draußen der warme Wind, tiefe Kissen und Wasserpfeifen.
    «Rauchst du?», fragte ich.
    «Nein.»
    «Ich auch nicht», sagte ich froh, «ich habe es nie probiert. Und Drogen?»
    «Wenn ich etwas mit mir anzufangen weiß, sind Drogen wirklich nur Zeit- und Hirnverschwendung. Und meistens kann ich etwas mit mir anfangen, also nehme ich keine, aber Alaf, Haschisch, das kann schon ein echter Spaß sein. Manchmal, nicht regelmäßig.»
    Ich schwieg, versuchte das zu verdauen und nicht ekelhaft bieder zu sein.
    «Man muss nicht mit Gewalt dagegen sein», meinte sie beruhigend, «sich manchmal ein bisschen ausklinken, das ist alles.»
    «Mir scheint, es gibt hier Leute, die sich die meiste Zeit nur ausklinken.» Die Gäste ließen Joints herumgehen und rauchten

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