Der geheime Basar
vielleicht sogar mehrere Stunden genießen würde, würde mich der Gedanke verfolgen, dass es gleich zu Ende ist, wäre ich nur ständig bemüht, mir jede Berührung, jeden Laut und jeden Geruch einzuprägen, in der Hoffnung, dass sie sechzig Jahre für die sehnsüchtigen Erinnerungen vorhalten würden. Eigentlich hatte ich keine Lust, es mit dieser Mischung aufzunehmen: nicht allzu viel zu erhoffen, aber gut anzukommen, gleichmütig, aber sensibel zu sein, lustig, aber nicht kindisch, und keinesfalls lächerlich.
Als ich am Laleh-Park vorbeiging, bereute ich diese Verabredung bereits. Die Spannung drückte mich nieder, die bohrenden Fragezeichen im Kopf, die Erwartungen, die sich abwechselnd einstellten und zerplatzten, überforderten mich, vor allem in der ersten Studienwoche, wo einem ohnehin der Kopf schwirrt und man Konzentration braucht. Doch war es überhaupt möglich, sich ihr zu verweigern?
Als ich in der Wohnung eintraf, saßen Zahra und Babak in der Küche und warteten auf mich. «Los, Junge, erzähl uns von der Uni, bestimmt ist sie ein wucherndes Paradies der Verdorbenheit», sagte Babak. Ich hätte es ihnen nur zu gerne erzählt, nicht um anzugeben, einfach um es loszuwerden und alle meine Überlegungen mit ihnen durchzukauen. Es gelang mir nicht. Ich suchte den passenden Zeitpunkt, ich wollte nicht dasitzen, wenn Babak vor Zahra aufschrie: «Nilufar Chalidian! Wow!», was sie daran erinnern würde, dass es junge, neue Berühmtheiten gab und sie selbst überhaupt nicht mehr berühmt war. Als ich sagte, dass ich am Abend ausginge, und sie mich begeistert fragten, mit wem und wohin, brachte ich es einfach nicht über das Herz, die Wahrheit zu sagen.
Ich zog hellblaue, ein bisschen verwaschene Jeans an und ein neues Nike-Hemd, das sportlich aussah, ohne bemüht zu wirken. Ich nahm den Schlüsselbund, der von dem wackligen Holzhaken hinter der Tür herabbaumelte, und erklärte: «Vielleicht bin ich erst spät zurück.» Babak erging sich in Erinnerungen: «Wo sind die Zeiten hin, in denen es in diesem Staat verboten war, Jeans zu tragen? Ich zog sie immer zu Hause an, was fast so ein Spaß war, wie nackt über den Azadi-Platz zu rennen.» Zahra musterte mich. «Auf Wiedersehen, mein Lieber, mach keine Dinge, die ich nicht tun würde», sagte sie, wobei ich wusste, dass es wohl kaum etwas gab, das sie nicht getan hatte, als sie in meinem Alter war.
Dann wartete ich an der Gehsteigkante auf Nilufar. Und plötzlich wurde mir klar, dass sie unmöglich etwas von mir wollte, das nichts mit Mechanik zu tun hatte. Wie erniedrigend meine Einbildung oder vielleicht meine Naivität war, warum ließ ich mich von lächerlichen Phantasien davontragen? Sie hielt mit kreischenden Bremsen und öffnete mir die Tür des in tiefem Meerblau schimmernden Ferraris, nach dem sich alle Köpfe drehten – einschließlich der des Herrn Nadschafian. Sie saß in dem niedrigen Ledersitz versunken, mit schwarzer Hose, weißem Kleid darüber und einem zart gemusterten schwarz-weißen Schal auf dem Kopf, der ein paar seidenhell glänzende Haarlocken freigab. Sie begrüßte mich scheu und zart, was in dem Moment weggewischt war, als ihr Schuhabsatz das Gaspedal durchdrückte – da wurde sie zur hemmungslosen Bestie mit kurzer Lunte, querte Spuren, schlängelte sich durch das Chaos, und alle ringsherum reagierten auf sie, machten unanständige Bewegungen. Sie lächelte mit einem gemeinen Funken in den Augen. Sie genoss es. Wollte sie mich beeindrucken? Aber weshalb? Ich gab mir krampfhaft Mühe, ungerührt auszusehen. «Führst du mir eine Rennstrecke vor, Nilufar?», fragte ich sie.
«Du kannst mir glauben, Soheil, die Straßen hier sind viel gefährlicher als eine Rennbahn. Ich bin bereit, dich zu trainieren.»
Ich bat sie, mich Kami zu nennen, und sie lachte: «Komisch, du siehst echt total wie ein Kami aus.» Und dann bat sie mich, sie Nilu zu nennen. Ich fragte: «Wohin fahren wir eigentlich, Nilu?» Begriff jedoch sofort, dass die Frage überflüssig war, denn heute Abend traf sie die Entscheidungen – oder vielleicht auch immer. «Du liebst das Risiko, was?», sagte ich mit einem befreiten Lächeln, da mir auffiel, dass sich alle Anspannung in meinem Körper gelöst hatte, seit ich mich neben sie gesetzt hatte. Ich befürchtete nicht, dass ich mir selbst ein Bein stellen könnte, noch machte ich mir Sorgen, wohin der Abend führen würde. Mein Herzklopfen war von der positiven Sorte. Ich fühlte mich gut. «In welchem Alter
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