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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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in bunten gläsernen Pfeifen Ice. Sie sagten auch zu mir: «Probier, das wird dir die Nacht auf den Kopf stellen, es macht dich leicht und glücklich», doch ich lehnte ab.
    «Woher kriegen die das Zeug?», fragte ich.
    Sie blickte mich an wie einen saudischen Touristen.
    «Ich bin neu hier in der Stadt, lach nicht über mich!»
    Nilufar flüsterte mit tiefer, aufreizender Stimme: «Nein, ich will dich nicht ruinieren, ich mag dich so, du bist ein guter Junge.»
    «Ich will es aber wirklich wissen.»
    «In dieser Stadt kann dich auch eine Taxifahrerin, die von Kopf bis Fuß in einen schwarzen Tschador eingewickelt ist, an einen Ort fahren, wo Opium verkauft wird, wenn du sie bloß darum bittest. Sogar Ecstasy muss nicht mehr aus Europa eingeschmuggelt werden, es wird in den Privatgaragen der Villen im Viertel produziert, ganz billig. Aber dir erlaube ich es nicht, mein Hübscher!»
    Für einen Moment dröhnte Ricky Martin aus den Lautsprechern, eine Sekunde später wild-fröhliche Bandarimusik.
    «Du musst mir erklären, was hier los ist», drängte ich, «schließlich können jeden Augenblick Polizisten und die Ansare Hisbollah die Tür eintreten und uns alle einsperren. Jedes Mädchen hier kann sich gefesselt in einem Gerichtskeller in der Bukareststraße wiederfinden und ausgepeitscht werden. Ist das die ganze Provokation wert? Sich einem solchen Risiko auszusetzen? Wofür?»
    «Du brauchst keine Angst vor der Regierung haben, Kami», sagte sie in einem Ton, der teilnahmsvoll klang, nicht überheblich. «Sie dulden unsere Untergrundpartys, auf dieser schmalen Grenze fußt diese Stadt, wir führen unser Leben unten, und sie tun, was immer sie tun müssen, oben, wir sind ein Staat im Staat.»
    «Warum? Wieso sollten sie sich damit abfinden? Ihr seid alle Ungläubige, das heißt, wir alle hier.»
    «Vielleicht kommt es ihnen ja gerade gelegen, uns gewähren zu lassen», antwortete sie, «Dampf abzulassen, hier, innerhalb der Mauern. Sie verschließen lieber die Augen, schließlich ist das nur eine Jugendrevolte, oder nicht? Ein bisschen Sex, Alkohol und Drogen, das kann der Revolution nicht schaden. Im Gegenteil: Alle, die du hier siehst, glauben ganz offensichtlich, dass es ihnen gutgeht. Ein Leben fast ohne Zügel – sie haben keinen Grund, auf die Straße zu gehen, vor Wut zu explodieren, ihnen fehlt nichts. So ist es ihnen lieber, dass wir mit Feiern beschäftigt sind, nicht mit Demonstrationen. Der Staat zieht es vor wegzuschauen, still und leise auf uns zu warten und darauf zu bauen, dass wir uns irgendwie, wenn wir um die dreißig sind, zerstreuen, uns etablieren, mit Heirat, Kinder, Karriere, und der Drang zum Aufruhr abstirbt, die Gefahr einer Revolution vorübergeht. Und sie haben recht, wie es scheint. Sie haben keine andere Wahl, also finden sie sich einfach damit ab.»
    Ich wollte sie anschreien: «Aber das ist grauenhaft, Nilufar! Du sagst, dass sie uns wie narkotisierte Schafe haben wollen, und kooperierst selber mit ihrem Plan, du bist hier, gehst auf Partys, die uns alle ablenken.» Ich hatte das Gefühl, eine Ohrfeige erhalten zu haben. Doch ich diskutierte nicht, sondern entsann mich, dass Herr Ali Samimi vom Wassermelonenstand stets zu sagen pflegte: «Die Menschen werden sich immer der Wahrheit widersetzen, bemühe dich nicht, sie damit zu konfrontieren.» Unter all den Menschen, die sich in Nilus Nachtclub der Wahrheit widersetzten, fühlte ich mich unzugehörig, vielleicht sogar ausgestoßen. Ich wollte Nilu, wollte so sehr, dass sie mich mochte, und vielleicht wollte ich das auch von allen anderen, also sagte ich nichts.
    Die Lichter der gewaltigen Stadt erhellten den gesamten Horizont, Millionen von Wohnungen und Häusern, Türmen und Verkehrsstaus. Ich versank in einem Strudel von Gedanken. Wie konnte man sich an etwas Gutem erfreuen, wenn man wusste, dass es vergänglich war? Ich stellte eine Berechnung an. Siebzig Prozent dieses Volkes waren unter dreißig, die Hälfte unter fünfundzwanzig, aber auch das war vorübergehend, die Geburtenrate schrumpfte wieder, wie vor der Revolution, Familien strebten nicht mehr nach acht Kindern, sie begnügten sich mit zweien, die jugendliche Mehrheit auf den Straßen war ganz und gar vorübergehend, sie bestand nur jetzt. Und was taten wir, um sie zu nutzen, bevor sie verschwand? Nichts. Die Bereitschaft, etwas zu tun, war sogar nie geringer.
    «Ich ärgere dich», sagte Nilu auf einmal.
    «Wieso?» Ich versuchte, überzeugend zu klingen. «Du bringst

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