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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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schnell schlapp», lachte ich.
    «Das ist eine Welt von Wunderkindern, Kami», entgegnete sie, und obwohl ihre Worte einen süßen Klang hatten, wirkten sie düster. «Wir müssen jetzt Erfolg haben.»
    «Und dann?»
    «Was dann?»
    «Was geschieht danach, nach dem Jetzt?» Ich versuchte zu verstehen.
    «Dann werden wir genug Geld haben, um uns zu Hause einzuschließen. Hoffe ich. Ein kleines Anwesen sollte genügen. Wir horten alles, was ein Mensch für ein ganzes Leben braucht. Eine Art privater Atombunker, verschlossen und versiegelt. Drumherum pflanzen wir einen blühenden Garten. Ein Paradies. So eine psychiatrische Anstalt, eine Muschel, eingehüllt in wuchernde Vegetation, nur für uns, und das war’s. Wir werden keinen Fuß mehr hinaussetzen und niemanden mehr sehen müssen. Klingt das gut?»
    «Aber warum sollten wir niemanden sehen wollen?»
    «Wenn wir rausgehen würden, dann würde man unseren Verfall sehen, uns bemitleiden und uns verachten. Deshalb gehen wir nicht hinaus. Wir schließen uns ein. Drinnen haben wir unsere Ruhe, und draußen werden schöne, sexy Erinnerungen an uns kursieren.»
    Ich kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Seltsam. Plötzlich ist sie wie Zahra. Zahra ist bereits in ihrem Atombunker, nur ihre Erinnerung ist draußen geblieben, und obwohl sie ganz und gar nicht glücklich wirkt, hätte sie Nilu nichts anderes empfohlen.
    «Was ist?», lachte sie. «Chosch baschi! Be happy!», versuchte sie mich aufzumuntern, und ihr Akzent roch nach Hollywood. Sie denkt, ich sei naiv. Sie trägt mir albtraumhafte, peinigende Gedanken vor und verpackt sie in ein seelenruhiges Lächeln. Sie ist eine Frau, die all die Dinge weiß, von denen ich keine Ahnung habe, und sie hört nicht auf, mich zu überraschen. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen, dachte ich, dass sie mir gegenüber so direkt ist. Ich fühle mich wohl mit ihr. Und mir war danach, mich von ihr behüten zu lassen wie ein Küken, das im Schnee nach einem warmen Wattekorb mit Federn sucht, um sich darin zu wälzen. Sie döste nun friedlich, und ich auch, doch in Gedanken war ich noch angespannt, suchte nach Dingen, die ich sie lehren könnte, die ich ihr geben könnte. Vielleicht hat sie auch lieber Männer um sich, die ihr unterlegen sind, und meint, ich sei ihr unterlegen?
    «Zu viel Sauerstoff hier oben», sagte sie, also gingen wir.
    Die Nacht endete bei ihr, im Penthouse in der Mariamstraße. Wir schliefen in Kleidern auf dem schwarzen Ledersofa ein. Das heißt, sie schlief auf meinem Arm ein, und ich hatte das Gefühl, als hätte ich Feuer geschluckt, das mich von innen nach außen verzehrte und im Kopf toste. Ich hoffte, das Herzklopfen, das meine Brust erschütterte, dämpfen zu können, denn wenn es sie wecken würde, müssten wir entscheiden, was wir tun, und es würde peinlich für uns. Ich wollte, dass sie es bequem hatte und eine gute Erinnerung daran haben würde, auf mir eingeschlafen zu sein. Das Phantasiemädchen der Revolte schlief weiter an mich gekuschelt.
    Ich resümierte den Tag. Er war mir endlos vorgekommen. Was wussten die Mullahs, die ehrwürdigen Religionsgelehrten? Hatten sie irgendeine Ahnung, wie ihr göttliches Reich unter der Erde aussah? Dass alles, was auf der Oberfläche verboten war, dort geschah – voll schillernder, kühner Leidenschaft? Die Decken waren hoch, die Wohnung totenstill, man hörte nichts von der Straße, eine lastende Stille lag auf uns. Vasen mit Narzissen, persische Rosen und weißes Parkett, prachtvolle weiße Säulen als Deckenstützpfeiler, der Raum verdunkelt. Ein dämmriger Eispalast mit Kerzen, die nie angezündet worden waren und auf den dunklen Holzregalen neben einer Medaille und einem Pokal standen. Eine blaue Wand führte zur Küche.
    Als ich aufwachte, lag sie da, eine kleine Tigerin, die sich bemühte, ihre Augenmuskeln gespannt zu halten, in einem engen, dünnen Trikot und einer schwarzen Leggings. Ihre Arme waren bloß und glatt und verströmten den Babygeruch nach rosa Eiscreme, zum Anbeißen. Dann kam es mir vor, als wehte mich ein Hauch von Winter an.
    «Du hast wieder dieses gequälte Gesicht, das ich so mag», war ihr erster Satz am Morgen. Und ich litt wirklich, denn ich war völlig zerknittert und zerzaust. Das war der Fehler eines jungfräulichen Dorfknaben, noch vor einem ersten Kuss seine Schwächen zu entblößen. Doch Nilufar hatte gleich mehrere beruhigende Arten zu lächeln: das lindernde Lächeln, das versöhnliche Lächeln, das

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