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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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schwarzen Mänteln. «So muss man Bücher verkaufen», lobte sie ihn, «echt romantisch.» Er lächelte geschmeichelt. «Keine Bange, der Tag wird kommen, und jeder wird sie so verkaufen, nur so. Es ist hübsch, wenn man etwas zu verstecken hat, was?», fragte er und musterte mich. Schimmelgeruch hing in der Luft. Nilu sagte zu mir: «Stör dich nicht an seiner Dramatik, er ist ein Philosoph, der Junge.» Und sie machte uns miteinander bekannt. «Muhammad, sehr angenehm», sagte er, reichte mir jedoch nicht die Hand.
    «Wart ihr zusammen in der Schule?», fragte ich.
    «Könnte man sagen», antwortete er, «wir haben viele Dinge zusammen gelernt, ich und unser Star.»
    «Wo?»
    «Im Untergrund.»
    Nilu lachte. «Muhammad ist ein streunender Hund, er treibt sich eine Menge herum!» Jedes ihrer Worte hatte ein seltsames, undefinierbares Echo.
    Wir standen am Eingang zu einem Lager, unter einem nackten, müden Weidenbaum, der von allen Seiten mit Parasitengewächsen überwuchert war. Muhammad wühlte zwischen zerknautschten Bänden und hielt mir eine Space Opera von David Weber hin, mit einem Mädchen, Kapitän der Sternenflotte, und einer sechsbeinigen Holzkatze angenehmer Wesensart, was mich für einen Augenblick neugierig machte. «Kann es sein, dass du nie was von Isaac Asimovs Gesetzen der Robotik gehört hast?», fragte er mich ungläubig, um mir deutlich zu verstehen zu geben, dass ich keine Ahnung vom Universum als Ganzem hatte. «Ein Roboter darf keinem Menschen Schaden zufügen oder durch Untätigkeit zulassen, dass einem Menschen Schaden zugefügt wird. Ein Roboter muss jedem Befehl eines Menschen gehorchen, sofern dies nicht im Widerspruch zum ersten Gesetz steht. Ein Roboter muss seine Existenz erhalten, sofern dies nicht im Widerspruch zum ersten oder zweiten Gesetz steht. Das sind die Gesetze. Hast du sie nicht gelesen?»
    «Nein. Wovon redet er?», flüsterte ich Nilu zu. Ich wollte weg, ich sehnte mich nach dem Blut, das verborgen unter ihrer undurchdringlichen Robe pulsierte. Sie griff nach einem Glas Eiskaffee, und der Schatten, der über ihre Wangen fiel, ließ sie zerbrechlich erscheinen. Ich trödelte den beiden in ein Zimmer hinterher, in dem sich ein wackliges Eisenbett und eine überall verstreute Ansammlung erloschener Duftkerzen befanden. Ich war mir nicht schlüssig, was er beabsichtigte, bei solchen Leuten konnte man nie wissen. Doch Muhammad glich so gar nicht der Partyjugend. Wir setzten uns auf Kissen, er steckte eine Jazzkassette in einen alten Rekorder, nahm eine rostige Trompete zur Hand, blies aber nicht hinein, trommelte nur mit den Fingern darauf. Ab und zu biss er ein Stück von einem Sangak ab, wie es die armen Soldaten im Feld essen. Er machte angeödete Kaubewegungen, die sich ewig hinzogen, und betrachtete uns beide mit durchdringendem Blick. Ich sagte zu ihm: «Das ist komisch, was du vorhin gesagt hast, anstatt zu sagen, der Tag wird irgendwann kommen, an dem wir alle Bücher ganz ohne Heimlichkeiten verkaufen, hast du genau das Gegenteil gesagt.»
    Er zog seine Augenbrauen hoch, als wolle er sagen, so ist das Leben, doch er sagte gar nichts.
    Ein schmales Regal klemmte unter der niedrigen Decke, wie ein Bienenstock, die Fächer mit Büchern überladen, in jedem stand eine verrußte Kerze, deren Docht heruntergebrannt oder zerfasert war. Blaue, dicke Kerzen, die ihr Wachs über das gesamte Regal vertropft hatten. «Nur zur Dekoration?», fragte ich. Ein ziemlicher Aufwand bloß zur Dekoration, und eigentlich konnte man kein einziges Buch herausziehen, ohne eine Kerze abzubrechen, denn sie klebten garantiert an den Holzbrettern fest.
    «Hundertsieben», antwortete Muhammad.
    Ich fragte mich, ob mir eine versteckte Bedeutung entging.
    «Hundertsieben, klingt das nicht bekannt für dich?» Er prüfte mich.
    Ich blickte zu Nilu hinüber, wartete auf eine Rettung und hoffte, sie wäre nicht enttäuscht von meiner Ignoranz.
    «Hundertsieben Flammen zu Ehren hundertsieben Ermordeter und Verschollener», sagte Muhammad verächtlich und schloss seine Lippen wütend um das Mundstück der Trompete, und dann spielte er, leise, abgerissen und falsch, als habe er kein Interesse daran, mit jemandem zu reden, der nichts begriff.
    «Welche Ermordeten?», fragte ich ungeduldig und mit wachsendem Unmut über das mühsame Gespräch.
    «Vor zwei Wochen haben wir einen kleinen Gedenktag abgehalten, zehn Jahre seit Aufdeckung der Kettenmorde», antwortete er, und ich legte die Stirn in Falten,

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