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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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nicht nackt? Wie würdest du uns berühren? Was hättest du gern? Wie groß? Wie hübsch? Wie gewalttätig? Wie schmerzhaft? Schau uns zu», bettelten sie. Und streichelten sich selbst.
    «Ich komme», entschuldigte ich mich, «ich verspreche, mich zu bessern, Polinnen. Ich besuche euch später wieder, versprochen.»
    Was gibt es Neues in den Nachrichten? Dreizehn Personen, die für schuldig befunden wurden, Drogen geschmuggelt zu haben, sind heute hingerichtet worden. Acht im Evin-Gefängnis im Norden der Stadt, fünf im Zahedan. Die Zahl der zum Tode Verurteilten hat sich dieses Jahr verdoppelt. Im Zuge des Regierungsplans zur Ausrottung des Verbrechens wurden seit Beginn des Monats fünfundfünfzig Mörder, Vergewaltiger, Räuber und Entführer gehängt. Seit Anfang des Jahres wurden zweihundertsieben hingerichtet. Heute Morgen wurde auch Ruhollah Zamani aufgehängt, eine Siebenundzwanzigjährige, die des Mordes an ihrem Ehemann für schuldig erklärt wurde. Das Parlament bestätigte am Vormittag die Todesstrafe für Hersteller pornographischer Filme. Das neue Gesetz wurde mit überwältigender Mehrheit verabschiedet, einhundertachtundvierzig gegen fünf Stimmen. Seine Gültigkeit erstreckt sich auf alle, die in diese Weltverderbnis involviert sind, Schauspieler, Kameraleute, Regisseure und Produzenten. Dazu haben auch die Vertreiber pornographischer Filme und Provider von Internetseiten, die solche Gräuel zum Inhalt haben, mit Strafen zu rechnen, die sich zwischen einem Jahr Gefängnis und der Todesstrafe bewegen.
    Und zu den Nachrichten aus der Welt. Gestern wurde in Queensland, Australien, der Tag des Krötenzerquetschens begangen. Hunderte Einwohner mobilisierten sich zur offiziellen Jagd auf die schädlichen Tiere. Manchmal muss man Kröten zerquetschen, damit die Welt überlebt, wie sich herausstellt. Großbritannien: Eine neue Reality-Serie, sieben Hunde und eine Katze, die an übermäßiger Fettsucht leiden, werden in ein Abmagerungscamp gesteckt. Plötzlich fiel mir Muhammad vom Schwarzmarkt ein. Ich surfte. Treffer. Einhundertsieben. Die Kettenmorde. Am 22. November 1998 wurde Dariusch Faruhar, der bekannte und hoch angesehene Freiheitskämpfer, mit elf Messerstichen auf seinem Stuhl im Arbeitszimmer ermordet. Er war siebzig. Seine Frau Parvaneh wurde mit vierundzwanzig Messerstichen im Korridor des ersten Stocks ermordet. Um fünf Uhr nachmittags, auf dem Jordanboulevard, wurde Mohammad Mokhtari, einer der Gründer des erneuerten Schriftstellerverbands, erdrosselt. Der Übersetzer Majid Sharif, ein linker Journalist und gemäßigter Liberaler, brach zum Joggen auf und wurde am Straßenrand tot aufgefunden. Herzinfarkt, hieß es. Der Übersetzer Mohammad Jafar Pujandeh verschwand. Seine Frau Sima rannte zwischen allen Regierungsbüros und Leichenschauhäusern mit einem unschuldigen Bittbrief hin und her, sie bettelte und hoffte bis zum Schluss. Seine Leiche tauchte am Straßenrand in einem Vorort von Teheran auf. Auch den Literaturprofessor Ahmad Tafazzoli ebenso wie Ibrahim Zalzadeh, Leiter des Ebtekar Buchverlags und Herausgeber der literarischen Monatszeitschrift Me’jar, die von den Behörden geschlossen worden war, verschluckte die Erde, bis er nach fünfunddreißig Tagen, halb vergraben, an einer Nebenstraße aufgefunden wurde – erstochen. Und der regimekritische Schriftsteller Ali Akbar Saidi Sirjani wurde verhaftet und unter ungeklärten Umständen im Gefängnis ermordet. Einhundertsieben Namen, eine lange Tabelle mit Datum, Vor- und Nachnamen, Beruf, Todesumstände.
    Als die Häufung solcher Vorfälle zu massiv wurde, um noch als zufällig zu erscheinen, kletterten die Toten in die Schlagzeilen. Der Oberste Führer, Ajatollah Chamenei, beschuldigte ausländische Elemente einer subversiven Intrige, die eine Erschütterung der nationalen Sicherheit zum Ziel hatte. Auch die konservative Presse blies in dieses Horn. Doch der reformistische Präsident Chatami ernannte ein dreiköpfiges Ermittlungsteam, das den Schleier lüftete, bevor es jemandem gelang, sie zum Schweigen zu bringen. Und am 4. November 1999 veröffentlichte der Regierungssprecher folgende Verlautbarung: «Die verabscheuungswürdigen Teheraner Morde im letzten Jahr stellen eine anhaltende Verschwörung und Bedrohung der nationalen Sicherheit dar. Das Ministerium für Information und Sicherheit hat, unter Miteinbeziehung der gesetzlichen Einschränkungen und Richtlinien des geistigen Führers und des Präsidenten, die Entlarvung

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