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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Junge verlässt sein Zuhause, lässt seinen besten Freund im Stich, verzichtet auf die einsamen Strände und den weißen Fluss, auf die Stille, die bald wieder die Straßen verzaubern wird, wenn der Schnee so tief ist, dass ihn nicht einmal mehr die Luftverschmutzung zu schwärzen vermag. Auf einen Schlag der Silos in der offenen Landschaft beraubt, der Höfe an den Berghängen, der Wasserrinnen der Lagune, die wie ein endloses Labyrinth sind. Könnte man all das verlassen, ohne dass einen ein kurzer Augenblick der Reue streift? «Nein, ich bereue es nicht», sagte ich bekümmert. «Wer etwas aus sich machen will, muss fortgehen, das ist eine Stadt für die Kindheit, nicht fürs ganze Leben, weißt du noch?»
    «Aber es ging uns gut», versuchte er es nochmal.
    «Es ging uns wirklich gut. Es wird uns noch an vielen Orten gutgehen, wenn wir immer rechtzeitig wegzugehen wissen. Am wichtigsten im Leben ist es, die Reue zu beschränken, nicht ewig zu beklagen, dass es zu spät ist. Und auch dass wir Erfahrungssammler werden, du erinnerst dich? Wie ist es also nur möglich, dass ich dich unterwegs verloren habe?» Ich versuchte einzuschlafen, doch es gelang mir nicht, und ich flüsterte ihm zu: «Es quält mich, Amir, ich brauche eine Antwort von dir.»
    «Ich verstehe», sagte er schnell.
    «Ich muss wissen, dass du auf meiner Seite bist und akzeptierst, was immer zwischen mir und Nilu passiert.»
    Er antwortete leise: «Tut mir leid, Kami, ich kann nicht.»
    Es war Viertel vor sechs in der Früh, als Amir Teimuri ging. Er schlug die Wohnungstür zu. Ein dumpfer, grausamer Klang wie ein tödlicher Tritt. Aber ich beschloss, stark zu sein, und ich wusste auch, ich hatte es wirklich versucht. Ich war mit mir im Reinen. Ich war bereit für ein neues Leben, zog den Computer ans Bett und ging ins Internet. Auf MySpace eröffnete ich eine neue Seite: «Der Nilufar-Chalidian-Untergrundclub»! Wer beteiligt sich? Ich legte sie unter einem falschen Namen an, man musste fiktiv sein, um frei zu sein. Ich nannte mich Brandon.
    «Wie ist deine Stimmung heute, Brandon?», fragte die Website.
    «Ausgezeichnet», antwortete ich.

9
    Am Samstag wollte mir Nilu eine Freude machen, also gingen wir zum Schwarzmarkt, um verbotene Bücher zu kaufen. Als wir den Unterricht mittendrin verließen, wussten alle bereits, dass wir zusammen waren. Falls ihnen unsere Füße entgangen waren, die sich unter dem Tisch berührten, oder unsere Ellbogen, dann hatten sie zumindest gesehen, dass wir uns den ganzen Unterricht über schrieben; kurze Sätze auf der Tastatur, Smileys, Abfolgen unzusammenhängender Gedanken, und jeder zweite Satz war: «Ich liebe dich, mein Tschutschu» – so nannte sie mich und ich sie, «mein Tschutschu» –, was leichter war als es laut auszusprechen. «Wie geht es Chamad, dem Kater, und deiner unglücklichen Tante und der verrückten Untermieterin und dem Homonachbarn?», fragte Nilu gern, als helfe es ihr zu wissen, dass sie der Fels in meinem Leben war. Als wir am Mittag gingen, schubste sie mich wieder in ihren Wagen, drückte das Gaspedal durch und schlängelte sich durch rückwärtige Viertel, die mir unbekannt waren. Am Ende parkte sie in einer verschlafenen Basargasse mit einem verdreckten Hasen und ein paar Enten. Kein Marktgetümmel. «Was ist schwarz an diesem Markt?», fragte ich. «Alles, was man nicht sieht», antwortete sie. Doch es roch dort nach Gewürzen, es gab die üblichen staubigen Tische mit Waren wie überall, und ich sah nichts Ungewöhnliches, bis Nilu von einer dicken Händlerin Marshmallows verlangte. Marshmallows sind «haram», verboten. Wir folgten der Händlerin in ihren kleinen Ladenraum. Graue Wolldecken bedeckten Eckregale, und die Waren türmten sich in mehreren Lagen. «Alles, was haram ist, ist hier versteckt», erklärte Nilu, «man muss nur genau hinsehen.» Alkohol ist natürlich haram, auch Schweinefleisch und Schweinefett. Und Gelatine, Muscheln, Austern, Langusten, Schwertfisch. Generell Fische ohne Schuppen. Aber die Nestlé-Schokolade, die ich liebe, ist «halal», erlaubt. So wie Shrimps und Calamari. Es gibt sogar Zahnpasta, Seifen und Haarmittel, die verboten sind. Kaugummi mit Tierfett ebenfalls.
    Wir gingen weiter die Straße entlang. Nilu führte. Ein Junge, vielleicht ein Schüler, trat auf sie zu, als habe er auf sie gewartet, und umarmte sie schnell. Danach öffnete er vor uns Kisten voller amerikanischer Science-Fiction-Bände, in Stoff eingewickelt, verborgen unter

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