Der geheime Basar
du vielleicht aus Jerusalem?»
«Nein, im Gegenteil, ich bin aus Teheran.»
«Lügner. Seit wann gibt es in Teheran Internet?»
«Mit den ganzen Kriegen, woher habt ihr in Tel Aviv überhaupt noch Zeit fürs Internet? Und was habt ihr eigentlich alle mit diesen Benennungen, Jemeniten, Polinnen …?»
«Hasst du uns?»
«Warum sollte ich euch hassen?»
«Ich weiß nicht, ihr seid alle Talibans und so Zeug.»
«Wieso das denn? Das denkst du über mich?»
«Ich glaube nicht, dass du überhaupt aus Teheran bist, Lügner, aber selbst wenn du wirklich aus Teheran bist, was ein Gedanke ist, der mir das Hirn raussprengt vor lauter Abartigkeit, tut mir leid, beim besten Willen und allen regionalen Friedensbestrebungen, das sind zu viele Stunden Flug für einen Fick. Ich habe genug Perser in Tel Aviv.»
«Was machen Perser in Tel Aviv?»
«Leben.»
«Geht es ihnen da gut?»
«Warum nicht?», wunderte er sich. «Wie ist der Immobilienmarkt bei euch?», fragte er dann.
«Volltreffer, Immobilien sind das Profitabelste, was es hier gibt.»
«Gib mir eine Größenordnung.»
«Eine Fünfzig-Quadratmeter-Wohnung in nicht besonders zentraler Lage in der Stadt? Miete vierhundert Dollar. Kaufen? Zwischen 2500 und 15 000 Dollar der Quadratmeter. Deswegen wohnen junge Leute weiter bei den Eltern, es ist hart.»
«Auch bei uns, Bruderherz, auch bei uns, harte Sache, alles Wichser.»
«Aber mein Freund und ich sind versorgt, keine Sorge.»
«Vielleicht machen wir mit dir Geschäfte, mein iranischer Freund», sagte er, und danach spielten wir online Fußball, tauschten Musik aus, ich spielte ihm Untergrund-Hip-Hop von Reza Pishro vor. Als er offenbar Sex gefunden hatte, verschwand er, ohne sich zu verabschieden, und ich tappte wieder im Dunkeln, allein, auf der Suche nach einem Soldaten. Es herrschte ein eklatanter Mangel an Soldaten im Internet. Um zwei Uhr morgens tauchte plötzlich ein Autoelektriker für Militärfahrzeuge auf, als sei er uns von Allah geschickt worden, höchst nützlich für Nilu und den Peykan, ein Junge, der Cafés und Campingausflüge liebte, Gitarrespielen lernte und die gleichen Bücher mochte wie ich. Er kam aus Teheran. Ich fragte: «Vielleicht wärst du bereit, meinen Freund kennenzulernen, gutherzig, ohne Erfahrung in der Liebe?»
«Ist er hübsch?», fragte er zurück.
«Ich finde schon.» Ich zögerte.
«Gut gebaut?»
«Keine Ahnung.»
«Maße?»
«Was meinst du mit Maßen?»
«Seine Teile.»
«Das möchte ich gar nicht wissen», erwiderte ich erschüttert.
«Fest ansässig?»
«Was?»
«Fester Wohnsitz? Eigene Wohnung und das Ganze?»
«Ach so, klar», antwortete ich.
«Diskret?»
«Äußerst diskret. Ich verstehe dich, das ist sicher gefährlich für dich, quasi als Soldat.»
«Nicht so schlimm, ist ja bloß vorübergehend, bis zur Heirat.»
«Erzähl mir von dir!»
«Was?»
«Ich muss wissen, in welche Schwierigkeiten ich meinen Freund vielleicht bringe», erklärte ich.
«Hast du dich zu seinem Zuhälter ernannt?»
«Nein, ich bin einfach ein besorgter Freund.»
«Ein Vergnügen, solche Freunde zu haben.»
«Also wie heißt du?», fragte ich.
«Schnecke.»
«Ein netter Deckname. Aber wie heißt du wirklich?»
«Schnecke. Begnüg dich damit.»
«Warum Schnecke?»
«Ich war früher mal ziemlich fett, aber als ich anfing, als Tourenführer zu arbeiten, ist alles verschwunden. Mein Bauch ist eisenhart, keine Bange.»
«Die Schnecke ist doch überhaupt kein dickes Tier.»
«In Isfahan gibt es fette Schnecken.»
«Du bist in Isfahan aufgewachsen, schön, wir kommen voran. Und warum bist du in der Armee?»
«Warum bist du’s nicht?»
«Ich weiß nicht.»
«Hast du grundsätzlich was dagegen?»
«Manchmal», erwiderte ich. «Jedenfalls denke ich gern, dass wir hier unter Besatzung stehen, eine Okkupationsregierung. Dieses Volk war so oft schon besetzt. Ein bequemer Gedanke.»
«Wie kannst du so reden? Das sind deine Brüder, deine Freunde, die kämpfen, während du im Tadschrisch-Center Milchshake trinkst.»
«Na ja, ich rede von Freiheit, du als Homo solltest das verstehen», griff ich an.
«Ich bin kein Homo», schrieb er blitzschnell.
«Hast du dich selbst überzeugt, dass dein Leben hier frei genug ist?»
«Ich bin kein Homo.»
«Was suchst du dann in dieser Börse?»
«Das ist die Hitze.»
«Ja, du bist einfach nur geil.» Ich lachte.
«Das Leben hat viele Seiten.»
«Aber was ist, wenn du dich in meinen Freund verliebst?»
«Ich bin kein
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