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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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nun, mit einem Mal, gab es sie. Sie würden nicht allein bleiben, trotz allem. Sie würden verzauberte Morgen zusammen im Bett erleben, Nächte rasenden Herzklopfens, wie einfach es doch war, wenn es funktionierte, wie natürlich. Es machte mich glücklich.
    Wir gingen nach Hause, Frau Safureh und ich, langsam, schnaufend, ließen das frischgebackene Paar auf der feuchten Bank zurück. Ich musste nichts erklären, sie verstand, doch sie sagte: «Ich bin beunruhigt, Kami, er verheißt nichts Gutes, der Soldat.» Herr Nadschafian spähte aus seinem Kiosk zu uns hinüber. «Dieser Denunziant ist imstande, uns von den Lippen abzulesen», warnte die alte Frau dann, «sprich besser nicht über solche Dinge.»
    Milder Regen wusch die belebten Straßen, die Sonne, die kaum zu scheinen begonnen hatte, zog sich angesichts der schwarzen Wolken zurück. Am Horizont zeichneten sich Wolkenkratzer ab, und ein alter Namaki schlurfte mit seiner Schubkarre über die Kreuzung, sammelte alte Möbel ein, Kartons, Flaschen und Zeitungen. Früher einmal tauschte er altes Brot gegen Salz, heute war er in der Recycling-Industrie. Und die Stadt war wie ein Sender, ein Wald von Antennen, die unzählige Botschaften ausschickten, die Luft wimmelte vor Informationen und Anweisungen, die mich einzufangen versuchten. Ich musste die richtige Frequenz heraushören.

13
    Herr Nadschafian kaufte sich einen neuen Papagei. Einen irakischen Papagei, Überlebender des letzten Krieges. Am Morgen nahm er ihn immer mit zur Arbeit in den Kiosk und am Abend zurück in die Wohnung – es mache ihn fröhlich, wie er erklärte. Doch Nadschafians Papagei rezitierte Koranverse und sogar die Eröffnungssure, die al-Fatiha, konnte er, und wenn Frau Safureh vorbeikam, krächzte er stets «Fatwa, Fatwa» gen Himmel. «Wieso droht der Papagei ausgerechnet einer alten Frau wie mir mit einem religiösen Erlass?», fragte sie immer mit Sorge. Sie dachte auch daran, den Kater auf den Vogel zu hetzen, doch sie hatte nicht den Mut zu solchen Dingen, die uns alle in Schwierigkeiten bringen konnten.
    Eines Tages kündigten Plakate im Viertel an, dass der Popstar Benjamin in das Plattengeschäft neben dem Kriegsversehrtenheim käme, um CD s zu signieren. Die Fans könnten sich mit ihm per Mobiltelefon fotografieren lassen. An jenem Morgen hörte Frau Safureh, wie Herr Nadschafian am Telefon den Text seines neuesten Songs, «Verzeih mir», vorlas, in einem Ton, der sich für sie sehr aggressiv anhörte. «Verzeih mir, dass ich statt der liebenden Hand, die du mir botst, eine andere Hand ergriff.» Das las er vor und sagte dann mit erhobener Stimme, dieser Benjamin habe schon zwanzig Millionen CD s verkauft. «Das Lied handelt von Untreue», erkannte Frau Safureh sofort, «und das verstößt gegen das Gesetz. Herr Nadschafian berichtet sicher den einschlägigen Stellen.»
    Ich versuchte, sie zu überzeugen, dass das jeder Logik entbehre, denn weshalb sollten diese Stellen ausgerechnet Nadschafian brauchen, um sie über Lieder eines Sängers auf dem Laufenden zu halten, der wahrscheinlich ohnehin unter Beobachtung stand. Doch am nächsten Tag wurde im Netz die Meldung veröffentlicht, dass das Lied «Verzeih mir» in der Islamischen Republik verboten worden war und ausschließlich außerhalb der Staatsgrenzen verbreitet werden durfte. «Ist das nicht eine merkwürdige Koinzidenz?», bemerkte Frau Safureh mit Genugtuung. Wir schlossen uns zunehmend ein.
    Am gleichen Abend, als ich aus der Universität zurückkehrte, wollte ich Babak und Zahra auf ein französisches Chansonfest im Café Entr’acte in der ersten Etage des Dschumhuri-Kinos, westlich der Falastinstraße, schleifen. Sie liebte Chansons, und er war schwul, sie sollten sich zur Abwechslung einmal aus dem Haus bewegen, und es könnte ihnen tatsächlich gefallen. Ich ging sogar zu Frau Safureh hinunter, weil ich dachte, sie würde die zwei vielleicht überreden. Doch sie votierten mit ihrer Stimmenmehrheit: Wir würden zu Hause bleiben, um den Computer versammelt, ein weiterer Abend unseres geschlossenen Surfclubs. «Das Internet ist nicht dazu gedacht gewesen, euch noch weiter zu isolieren», beklagte ich mich, doch es war mit keinem zu reden. Bevor wir starteten, rüstete Zahra Babak und mich mit einem Bündel Geldscheinen aus, und wir stürzten los, um im Velenjak-Supermarkt amerikanisches Essen einzukaufen. Wir nahmen auch Gouda und Camembert mit sowie Schweinefleisch, das nur an Nichtmuslime verkauft werden darf. Als

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