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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Türangel quietschte, und ein verwirrter Babak öffnete. Er ließ zu, dass ich ihm folgte, mich in sein Leben drängte. Auch wenn er aufgeschreckt wird, lächelt er, bemerkte ich verwundert. Und sogar wenn er schläft, kann er nicht anders als lächeln, sein Leben besteht aus Lächeln. Ich sagte zu ihm: «Zieh dich an, schnell, sportlich.» Doch ich weigerte mich zu verraten, worin die Überraschung bestand. Babak war gespannt wie eine Feder, rannte um mich herum, versuchte sich hastig anzukleiden, während ich mich mit demonstrativer Gelassenheit auf das schmale Sofa warf, um Spannung abzubauen. Es roch intensiv nach den bunten Kaugummikugeln von früher. Die weiß-blauen Porzellanfliesen in der Küchennische waren die einzigen Farbtupfer; das Sofa, die große Blumenvase im Eck, der Wasserkessel und sogar sein T-Shirt – alles in Weißtönen. Das Zimmer war eng und gedrängt, aber hell und mustergültig aufgeräumt. Er entschuldigte sich, er würde bald renovieren und die Gestaltung verbessern, doch es war eigentlich sehr hübsch, denn überall an den Wänden verstreut angebrachte Bilder dominierten das kleine Zimmer und warfen tiefe, kräftige rötliche Farben in den Raum – professionelle Porträts, wie es schien, alle von einem schmalen Streifen umrahmt, mit fragendem Blick, als habe das Leben sie plötzlich an einen fremden Ort verschlagen, Männer an der exakten Nahtstelle am Ende ihrer Jugend, und neugierig. Ich fand sie ein bisschen hässlich – ja, er liebe Mischungen aus Schönheit und Hässlichkeit, erklärte Babak –, eingefangen von der Linse in einem unverhofften Sekundenbruchteil, was es schwierig machte zu entscheiden, ob sie robust oder empfindsam waren, und aus irgendeinem Grunde schien es, dass das Glück hinter der nächsten Ecke auf sie wartete und die ganze Welt einfach sei, ohne einer Erklärung zu bedürfen. Der Fotograf hatte sich ihnen aufgeprägt, denn sonst hätte er nicht diese entlarvenden Blicke eingefangen.
    «Woher sind die Bilder?», fragte ich.
    «Von mir», antwortete er mitten im Zähneputzen, «ich fotografiere manchmal.»
    Ich suchte nach einem Weg, meine Bewunderung überzeugend auszudrücken, denn ich war wirklich begeistert. «Hör mal, du bist verrückt, wieso vergräbst du dich jeden Morgen in einer Amtsstube? Langsam fange ich an zu denken, dass alle hier im Staat auf den falschen Stühlen sitzen» – ich zitierte Nilu. Als er deprimiert versetzte, es gebe ja keine Alternative, erwachte der Kampfgeist in mir, und ich widersprach ihm: «Babak, vergiss es, das lasse ich dir nicht durchgehen, wir beide werden zusammen einen Lebenslauf und einen Begleitbrief verfassen und ihn an alle bekannten Agenturen und Galerien in der Region schicken, und an Journalisten, Werbeleute, und wir werden nicht aufgeben, bis etwas für dich dabei herauskommt, als Fotograf oder Fotoassistent. Aber zuerst finden wir die Liebe», deutete ich an, wobei ich ihm zublinzelte. «Keine Sorge, mein Freund», versicherte ich, und wieder hörte ich Nilu aus meinem Mund sprechen, «jede Blume hat ihre Zeit zu blühen.» Babak warnte mich, dass ich mich ziemlich schwul anhörte, worauf wir in Lachen ausbrachen. Er kämmte sich noch schnell, sprühte sich mit etwas Parfüm ein. Wir rannten die Stufen hinunter, um Frau Safureh abzuholen, und gingen dann zu den Grünflächen im Park – sie zum Yoga, ich zu meinen Runden, und Babak wurde auf eine Bank gesetzt, wo er gehorsam wartete. «Never hide!», sagte ich auf Englisch zu ihm und entfernte mich. Ich bezog einen Beobachtungsposten.
    Schnecke traf nach zwanzig Minuten ein, in gebügelter Uniform, muskulös, groß und massiv, und sah nicht besonders warm oder liebevoll aus, doch das war anscheinend, was Babak brauchte. Er ließ sich dicht neben ihm nieder, streckte die Hand aus und fragte: «Hale-to chube? Wie geht’s dir?» Und sofort waren sie mitten in eine Unterhaltung vertieft, die weder gehemmt noch holprig oder zu zweckorientiert aussah. Ihre Körpersprache wirkte befreit und strahlte eine solche Fröhlichkeit aus, dass ich am liebsten losgerannt wäre und die beiden geküsst hätte, so stolz war ich. Um niemanden in Verlegenheit zu bringen, verschwand ich und dachte, dass sie wie zwei Waisenkinder waren, andersartig, ungewöhnlich, und sicher waren sie schon fast so weit gewesen, sich mit einem Leben im Verborgenen abzufinden oder mit dem einsamen, elenden Alter, in dem man unendlichen Durst nach Dingen hatte, die man nie haben würde. Und

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