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Der geheime Brief

Der geheime Brief

Titel: Der geheime Brief Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Ernestam
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schilderte die entsetzlichen Zustände, sprach über das, was in jener Nacht geschehen war, und dass wir nichts bereuen müssten. Ich sah ihre glatte Wange vor mir und fragte mich immer wieder, ob ich an ein Wunder glauben sollte. Ich kann es noch immer nicht erklären. Vielleicht werde ich die Antwort dort erhalten, wohin ich kommen werde. Für Lea war es glasklar, und ich war ihretwegen glücklich. Gewissheit ist ein ebenso seltenes Geschenk wie Meerkohl.
    Wir teilten das Geld. Es gab Lea und Ruben die Möglichkeit, Schweden zu verlassen, und mir und Jakob ein Startkapital.
Ich konnte sie auch dazu überreden, einen Silberleuchter mitzunehmen. Auf diese Weise hätte jede einen, und wir könnten abends eine Kerze anzünden und aneinander denken. Sie lachte und stimmte zu, dann küsste sie mich und sagte, ich sei eine liebenswerte Närrin. Wir würden uns wiedersehen, denn das habe sie entschieden. Jetzt, wo sie Gott auf ihrer Seite habe, sei alles möglich.
    An dem Tag, an dem ein Foto ihres kleinen Sohnes bei mir eintraf, zwang ich mich zu akzeptieren, dass es Dinge gibt, die wir niemals verstehen können, und dass Mütter, die einander ähneln, Kinder bekommen, die einander ähneln, auch wenn der Vater unbekannt ist. Dass ich selbst schwanger war, begriff ich erst einige Wochen nach Lea. Ich musste über die Bauerntochter lachen, die alles besser weiß als ihre Freundin und die dann in dieselbe Falle tappt. Jakob erfuhr es, ehe ich ihm mein Jawort gab. Du bekommst nicht eine, sondern zwei.
    Er dankte und nahm an und sagte nichts mehr, obwohl die Ähnlichkeit meines Sohnes mit Anton schon nach einigen Monaten offenkundig war. Ich dachte, dass Jakob Antons Sohn liebte, so gut er das konnte, und dass ich so viel zurückgeben müsste, wie ich entbehren könnte. Keine kann mehr geben, als sie hat, und ich tat mein Bestes. Am Ende war es dann auch ehrlich gemeint. Ich lernte, Jakob so sehr zu lieben, wie ich nur konnte. Er wurde mein Lebensgefährte.
    Aber ich weiß nicht, ob er das verstanden hat. Er schlug sich mit der Vergangenheit herum und verbrachte Stunden damit, gegen die Erinnerungen zu kämpfen. Wir kauften für unser Schwarzmarktgeld das Haus auf Marstrand und ließen uns dort nieder. Doch kaum fing unser Lebensmittelladen an, Erfolg zu haben, da beschloss Jakob, Geistlicher zu werden. Ob er seinen Glauben auf Marstrand gefischt hatte, ist zweifelhaft. Er hat wohl eher Vergebung für seine Tat gesucht und seine Schuldgefühle
bekannt, indem er anderen half. Meine Einwände, dass seine Güte ausreiche, auch ohne Abendmahl und Kapelle, wischte er beiseite. Also mussten wir zwischen Seminar und Pfarrhöfen pendeln, Marstrands Schönheit genießen, wenn er kein dringendes Amt hatte und im Kampf um das Gewissen Gottes Geiseln sein.
    Ich spielte Pfarrfrau und Heilige und versuchte doch immer wieder, die Freiheit zu kosten. Die ganze Zeit versuchte ich, die Ketten zu lockern, mit denen Jakob sich gefesselt hatte. Jakob, geliebter Jakob. Du hast unsere Freude weggesühnt. Machtest dir immer wieder Vorwürfe, weil du die Tür nicht früher geöffnet hattest. Und hast dich geweigert, das Offenkundige zu sehen. Du hättest nichts tun können.
    Jakob verstand mich nie und zog mich in seine Reue hinab. Er verlor die Sorglosigkeit und den Glauben an ein himmlisches Leben, obwohl er doch Geistlicher wurde. Auch ich vergaß nicht. Ich legte die Erinnerungen in einen Kasten, versuchte, den Deckel zu schließen und nach vorn zu schauen. Ich fand, dass wir unser schlechtes Gewissen nicht verdient hatten, und war irgendwie auch stolz auf unseren Mut. Jakobs Augen dagegen hatten das Lachen verloren. Allzu selten versöhnte er sich mit sich selbst, umarmte mich vor dem Kaminfeuer oder lachte in der Wärme des Sommers. Obwohl er sich unendlich darüber freute, dass der Sohn, der auf unseren Erstgeborenen folgte, seiner und nicht der eines anderen war.
    Unser jüngerer Sohn wurde zur Himbeere auf dem Kuchen. Er wurde von seinem großen Bruder und seinen Eltern geliebt und lachte oft, außer damals, als er für einige Wochen verstummte. Was war in seinem Kopf geschehen? Ich weiß es nicht, aber ich ahne, dass er Kontakt zu seinem Schicksal aufgenommen hatte. Vielleicht sah er Jakobs Verzweiflung. Ich hoffte so sehr, dass er es schaffen wird. Ich werde ihm helfen, damit
die Frucht der Erkenntnis, wenn er sie denn nun gekostet hat, in seinen Gedanken nicht zu Schimmel wird.
    Und Lea. Die den Glauben dem Entsetzen vorzog. Die erklärte,

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