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Der geheime Garten

Der geheime Garten

Titel: Der geheime Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frances Hodgson Burnett
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schüttelte seine Flügel, breitete sie aus und flog davon. Es hatte seinen Besuch gemacht und hatte nun andere Dinge zu tun.
    »Es ist über die Mauer geflogen«, rief Mary, »in den Obstgarten und dann über die andere Mauer in den Garten, der kein Tor hat!«
    »Dort lebt er«, sagte der alte Ben. »Dort ist er aus dem Nest geschlüpft. Wenn er auf Freiersfüßen ist, dann geht er zu den jungen Rotkehlchenfräulein, die da in den Rosenbüschen wohnen.«
    »Rosenbüschen?« sagte Mary. »Sind dort Rosenbüsche?«
    Ben Weatherstaff nahm seinen Spaten wieder zur Hand und begann zu graben. »Es ist zehn Jahre her«, murmelte er.
    »Ich möchte die Rosen sehen«, sagte Mary. »Wo ist das grüne Tor? Irgendwo muß doch ein Tor sein.«
    Ben fuhr mit dem Spaten tief ins Erdreich und sah so böse aus wie am Anfang. »Vor zehn Jahren gab es ein Tor, jetzt nicht«, sagte er.
    »Kein Tor?« sagte Mary. »Aber es muß ein Tor geben!«
    »Kein Tor, das man finden könnte, und kein Tor, das irgend jemand etwas anginge. Sei du kein vorwitziges Mädchen und steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen. So, ich muß jetzt weitermachen. Geh spielen! Ich hab' keine Zeit mehr für dich.«
    Und tatsächlich hörte er auf zu graben, schulterte den Spaten und schritt davon, ohne sie anzusehen und ohne »Auf Wiedersehen« zu sagen.

Der Schrei im Korridor
    In der ersten Zeit war für Mary Lennox ein Tag genau wie der andere. Jeden Morgen erwachte sie in ihrem tapezierten Zimmer und sah Martha, vor dem Kamin kniend, das Feuer anzünden. Jeden Morgen aß sie ihr Frühstück im Kinderzimmer, ohne sich daran zu freuen. Jedesmal schaute sie nach dem Frühstück aus dem Fenster über das weite Moor, das sich nach allen Seiten auszubreiten schien und bis zum Himmel reichte. Wenn sie eine Weile hinausgeschaut hatte, wurde ihr klar, daß sie hinauslaufen mußte, denn drinnen wußte sie einfach nichts anzufangen. So entschloß sie sich jeweils, in die Gärten zu gehen. Sie wußte nicht, daß dies für sie das Beste war, was sie tun konnte. Sie ahnte nicht, daß sie ihr träges Blut in Bewegung setzte, wenn sie die Wege und Alleen entlangging oder gar lief, und daß es sie stärker machte, wenn sie gegen den Wind ankämpfte, der vom Moor herüberwehte. Sie rannte nur, um sich zu erwärmen; sie haßte den Wind, der über ihr Gesicht fegte. Aber die rauhe, frische Heideluft, die sie tief in die Lungen sog, tat ihrem ganzen Körper wohl und trieb, ohne daß Mary es wußte, ein wenig Röte in ihre Wangen. Ihre trüben Augen wurden klarer.
    Nach einigen Tagen, die sie draußen verbracht hatte, wachte sie eines Morgens auf und wußte plötzlich, was es heißt, hungrig zu sein. Sie setzte sich an den Frühstückstisch und starrte nicht verächtlich auf den Haferbrei. Sie schob ihn auch nicht beiseite, sondern nahm einen Löffel, begann den Brei zu essen und hörte nicht auf, bis die Schüssel leer war.
    »Das hast du heute aber gut gemacht«, sagte Martha.
    »Heute schmeckt der Brei gut«, sagte Mary.
    »Die Moorluft macht hungrig«, antwortete Martha. »Wie gut, daß du nicht nur Appetit hast, sondern auch etwas Gutes zu essen. Geh nur fleißig ins Freie, um zu spielen, dann kriegst du auch ein bißchen Fleisch auf deine Knochen und siehst nicht mehr so gelb aus.«
    »Ich spiele nicht. Ich habe nichts, um damit zu spielen.«
    »Nichts zum Spielen!« rief Martha. »Unsere Kinder spielen mit Stöcken und Steinen. Sie rennen herum und schreien und finden immer etwas.«
    Mary schrie nicht, wenn sie draußen war, aber sie schaute sich um. Weiter gab es nichts zu tun. Sie wanderte die Gärten entlang und immer rundherum durch den Park. Manchmal schaute sie nach Ben Weatherstaff. Sie sah ihn hin und wieder bei der Arbeit, aber er war zu fleißig, sich um sie zu kümmern.
    Vielleicht war er aber auch nur übellaunig. Als sie einmal auf ihn zugehen wollte, nahm er seinen Spaten und ging fort.
    Auf dem langen Weg, der an den vielen ummauerten Gärten entlangführte, spazierte sie oft. Es gab dort überall Blumenbeete, und schwerer Efeu rankte an den Mauern hoch. An einer Stelle in der Mauer war der Efeu besonders dicht. Es sah so aus, als ob dieser Teil lange Zeit vernachlässigt worden wäre. An den anderen Mauern war der Efeu beschnitten und ordentlich gehalten, doch an der letzten Mauer wirkte er ganz unberührt und wild.
    Mary war das aufgefallen, wenige Tage nachdem sie mit Ben Weatherstaff gesprochen hatte. Sie wunderte sich darüber. Sie stand und

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