Der geheime Name: Roman (German Edition)
Handtuch über seine Haut zu reiben. An seinen Beinen wurde er vorsichtig und tupfte um die Wunden herum.
»Zeig her!« Fina kniete sich vor ihn, nahm das Handtuch zur Seite und betrachtete seine Verletzungen. An zahlreichen Stellen war die Haut aufgerissen. Die meisten Wunden waren nicht tief. Doch eine bereitete ihr Sorgen, weil sie so weit auseinanderklaffte, dass sie genäht werden müsste.
Fina biss die Zähne aufeinander. Wenn er so hart war, dass er sich selbst Schmerzen zufügte, bitte sehr, dann würde er auch das aushalten. »Setz dich auf dein Lager! Ich verarzte dich.« Fina stand auf und ging zu ihrem Rucksack. Sie holte ihr Erste-Hilfe-Set heraus und suchte nach dem Nähzeug, das sie für alle Fälle mitgenommen hatte. Wie bei guten Pfadfindern.
Mora saß auf seinen Fellen, als sie sich wieder umdrehte. Nur sein Gesicht war noch genauso verschlossen wie zuvor.
Fina spürte, wie sich seine finstere Miene auf sie übertrug, wie sie anfing, innerlich kalt zu werden. Sie holte abgekochtes Wasser aus dem Kessel und kniete sich neben ihn. Nach und nach reinigte und desinfizierte sie seine Wunden und versorgte sie mit Pflastern und Mullbinden. Erst ganz zum Schluss hielt sie das Feuerzeug unter ihre Nähnadel, fädelte einen Faden ein und blickte Mora in die Augen. »Das wird jetzt ziemlich weh tun. Also beiß die Zähne zusammen.«
Mora nickte.
Fina drückte die Wunde zusammen und setzte die Nadel an. Es war nicht leicht, zuzustechen, der Gedanke an den Schmerz kribbelte auf ihrer Kopfhaut. Doch im nächsten Moment fand sie es gerecht, ihm weh zu tun – er hatte ihr auch weh getan.
Mora gab keinen Mucks von sich, während sie nähte. Er zuckte nicht einmal zusammen. Nur seine geblähten Nasenflügel verrieten den Schmerz.
Als Fina schließlich einen Verband um seinen Oberschenkel wickelte, hielt sie das Schweigen nicht länger aus. »Warum ist es so schlimm, dass ich dich geküsst habe? Warum bist du so wütend?«
Mora sah sie erschrocken an. Der Schmerz in seinen Augen glühte noch nach, ließ sie ahnen, wie sehr er innerlich kämpfte. Wie konnte jemand nur so beherrscht sein?
»Es war schön«, flüsterte sie. »Und ich dachte, es hätte dir auch gefallen.«
Mora starrte auf ihre Hand, die noch auf seinem Bein lag.
Fina spürte einen seltsamen Trotz, den Wunsch, ihn zu provozieren. Ganz langsam strich sie über seine Haut, ließ ihre Finger über seinen Oberschenkel gleiten.
Mora sprang hoch. »Warum tut sie das? Will sie ihn …?«
Fina stand auf. Er sollte nicht wieder von oben auf sie herabsehen. »Ja, Mora. Ich will dich.«
Mora wandte sich von ihr ab. Er ging zu seinem Feuer, drehte den Spieß mit dem Wildschwein und schüttete schließlich das kochende Wasser aus dem Kessel in den Bottich zurück. Als er sich zu ihr umdrehte, senkte er den Blick. »Ich habe dir ein Bad bereitet.«
Fina hielt den Atem an. Plötzlich merkte sie, wie der Staub auf ihrer Haut juckte, und fühlte den Ruß, der ihr Gesicht verschmierte. Sie hatte seit Ewigkeiten nicht mehr gebadet, der Gedanke war verlockend. Doch dann wurde ihr klar, wie paradox es war. »Warum bereitest du mir ein Bad und wäschst dich selbst im eiskalten Bach? Warum machst du das warme Wasser nicht für dich?«
Mora sah sie überrascht an. Seine schwarzen Augen schimmerten. »Ich hatte noch nie ein warmes Bad.«
Fina blickte zu dem Bottich, sah wieder zu Mora, dessen Wunden frisch verbunden waren. Sie hätte nicht mehr genug Verbandszeug, um sie erneut zu verarzten. Dennoch: »Dann sollte das erst recht dein Badewasser sein.«
Mora schüttelte den Kopf. Er zeigte auf seine Verbände, als hätte er ihre Gedanken erraten. »Nein. Es ist für dich.« Er ging zur Tür.
»Halt!« Finas Stimme bebte. »Du kannst so nicht rausgehen. Ich will nicht, dass du überhaupt wieder rausgehst.«
Mora drehte sich langsam zu ihr um. Er hielt den Atem an.
Finas seltsamer Trotz kehrte zurück. »Von mir aus bade ich jetzt in dem Wasser. Aber du musst hierbleiben.« Sie ergriff den Saum ihres Pullis und zog ihn über den Kopf.
»Tu das nicht!« Mora starrte sie aus weit aufgerissenen Augen an, wandte schließlich den Blick ab, während sie ihre Jeans von den Beinen streifte. Nur die Bewegung seines Rückens verriet seinen hektischen Atem. »Hör auf, Fina. Wenn du das tust, dann … Ich bin gefährlich für dich.«
Fina hielt inne. Plötzlich tauchte der Abgrund wieder vor ihr auf, die dunkle Ahnung, dass sie nicht nur von Moras Herr bedroht
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