Der geheime Name: Roman (German Edition)
Arme und lehnte sich an seine Schulter. Plötzlich wusste sie, wer sein Herr war: derjenige, der sie schon ihr Leben lang verfolgte, vor dem ihre Mutter mit ihr geflohen war.
Derjenige, dem sie versprochen war.
»Aber du musst mir folgen, Mora!« Sie klammerte sich an ihn. »Sobald er tot ist, musst du in meine Welt kommen. Geh in das nächste Dorf, das im Südosten am Waldrand liegt. Der Ort heißt Ebbingen. Dort ist eine Mühle mit einem löchrigen Dach. Ich hab sie dir auf den Fotos gezeigt.«
»Ich kenne dein Haus.« Moras Tonfall klang ausweichend, er küsste ihre Schläfe.
Fina drückte ihn von sich. »Wirst du kommen?«
Mora schloss die Augen, zog sie wieder an sich und drückte sein Gesicht in ihre Haare. »Sobald er tot ist.«
* * *
Fina rannte, heulte, konnte den Weg vor lauter Tränen kaum noch erkennen. Ihr Rucksack klapperte mit jedem Schritt, ihre Kamera und die Tagebücher darin, die sie auf die Schnelle hineingeworfen hatte. Mehr Zeit hatte Mora ihr nicht gelassen, kaum genug Zeit, um zu begreifen, was er vorhatte, dass er sie tatsächlich allein wegschickte.
Das Tageslicht hinter ihren Tränen wurde greller, ließ sie ahnen, dass der Waldrand vor ihr lag. Auf einmal musste sie an ihre Großmutter denken, an den warmen Kamin und das gemütliche Wohnzimmer der Mühle, in dem vielleicht noch der Weihnachtsbaum stand.
Sie blinzelte, als sie den Wald verließ. Die Tränen lösten sich aus ihren Augen, und plötzlich entdeckte sie den schwarzen Mercedes, der vor der Mühle parkte. Ein fremdes Auto und doch eines, das sie ahnen ließ, wem es gehörte.
Fina blieb stehen. Aber es war zu spät. Die Haustür der Mühle flog auf, ihre Mutter rannte heraus. Ein blonder Mann erschien hinter ihr.
»Fina!« Ihre Mutter lief auf sie zu, streckte die Arme aus.
Fina taumelte, wich zurück. Doch die Arme ihrer Mutter fingen sie ein, zogen sie an sich. »Hat er dich verfolgt? Hat er dich gefangen? Wir bringen dich weg, Fina. Sofort!«
Ihr wurde schwindelig. Ihre Mutter wusste alles, wusste, wer Moras Herr war, dass er Fina zu sich holen wollte. Sie kannte den Ursprung dieser ganzen abstrusen Geschichte.
Fina spürte, wie sich der Boden unter ihr öffnete. Selbst ihre Eltern waren in dieses wahnwitzige Märchen verwickelt, ausgerechnet ihre Mutter, die Phantasiegeschichten nicht mochte.
»Komm mit, Fina!« Ihre Mutter legte ihr den Arm um die Schultern. »Wir fahren, jetzt gleich!«
Fina erstarrte. Erst jetzt begriff sie, was ihre Eltern vorhatten. Sie wollten sie wegbringen, wollten sie von Mora trennen, von seinem Wald, von der Hoffnung, ihn jemals wiederzusehen!
Fina riss sich los, sprang vor ihrer Mutter zurück. »Ich werde nirgendwo mit dir hingehen!«
»Doch!« Eine Männerstimme ließ sie herumwirbeln. Ihr Vater stand direkt hinter ihr, seine Stimme klang sanft. »Du musst mitkommen, wir haben keine andere Wahl.«
Fina lachte auf. »Du? Ausgerechnet du willst mir sagen, was ich tun soll?« Sie wich weiter zurück, drehte sich zum Wald und rannte los.
Schnelle Schritte holten sie ein, kräftige Hände packten ihre Arme, hielten sie fest und zogen sie an sich. »Josefina!«, ertönte die Stimme ihres Vaters. »Wir verstehen, dass du wütend bist. Aber du bist in Gefahr! Du musst mitkommen!«
Fina wehrte sich gegen die Hände, zappelte und wollte sich losreißen. Für einen Moment hielt er sie nur noch an ihrem Rucksack fest. Fina schnallte ihn los und rannte – nur Sekunden, bevor ihr Vater sie wieder einfing, bevor er sie einfach auf seinen Arm hob und mit sich trug.
»Lass mich runter!«, schrie Fina. Sie kreischte, versuchte, sich aus seinem Griff zu winden. Aber seine Arme umklammerten sie so fest, dass sie keine Chance hatte.
»Fina, bitte!« Ihre Mutter lief neben ihnen, während ihr Vater sie zum Auto trug. »Wir lieben dich, du musst uns vertrauen.« Sie öffnete die hintere Tür des Mercedes.
»Susanne!«, peitschte die Stimme ihrer Großmutter dazwischen. »Lasst sie runter!«
Fina warf ihren Kopf herum, entdeckte Oma Klara vor der Haustür. »Hilf mir!« Sie brüllte, zappelte. »Er soll mich runterlassen! Ich muss hierbleiben!«
Ihr Vater kümmerte sich nicht um ihr Geschrei. Er beugte sich in den Wagen und setzte sie auf dem Rücksitz ab, als wäre sie ein kleines Kind.
»Hau ab!« Fina stieß gegen seine Brust, wollte an ihm vorbei nach draußen springen. Aber sein Körper versperrte ihr den Weg.
»Lasst sie los!« Ihre Großmutter kam mit wütenden Schritten zum Auto.
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