Der geheime Name: Roman (German Edition)
wartete auf ihre Antwort.
Nie im Leben würde er einen Pfarrer finden! In seiner Welt gab es keinen Pfarrer. Und in ihre Welt konnte er nicht gehen. Plötzlich war sie sich sicher. Sonst hätte er sie schon viel eher geholt. Dann hätte er sie nicht erst in diese Falle locken müssen.
Er hatte ihr einen Antrag gemacht, sie musste antworten.
Wenn sie nein sagte, war sie verloren.
Fina schloss die Augen, sammelte die Worte und zwang sich, sie auszusprechen. »Ja, wenn er einen echten Pfarrer findet, heiratet sie ihn.«
Seine Lippen verzogen sich erneut – und zum ersten Mal wurde sein Blick so weich, dass es fast wie ein richtiges Lächeln erschien.
Die sechsfingrige Hand glitt zurück unter sein eigenes Schaffell. Mit einem wohligen Laut drehte er sich auf den Rücken. »Der Geheime wird sich umsehen. Er wird bald einen Pfarrer finden.«
Ein schwarzes Loch tat sich unter Fina auf, saugte die Gefühle aus ihr heraus und ließ sie hinabstürzen. Sie versuchte, sich zu fangen, zu halten, drehte sich zur Seite und vergrub ihr Gesicht in den Fellen. Er würde keinen Pfarrer finden, es war unmöglich.
Und was, wenn doch?
Panik sirrte durch ihren Körper. Fina kämpfte gegen das Gefühl an. Einatmen, ausatmen … Angespannt lauschte sie auf die Geräusche des Wichtes, hörte, wie er sich mit einem schläfrigen Grummeln zusammenrollte. Schließlich rührte er sich nicht mehr, schien sie tatsächlich in Ruhe zu lassen.
Ihr Atem ging endlich wieder ruhiger. Vielleicht hatte sie wenigstens Zeit gewonnen. Er würde sicher eine Weile nach einem Pfarrer suchen müssen – bis dahin konnte sie an ihrem Fluchtplan arbeiten.
Fina rückte so weit wie möglich an den Rand ihres Lagers. Am liebsten wollte sie einfach ihre Felle nehmen und sich auf das freie Lager legen, das eigentlich Mora gehörte. Doch sie war sich nicht sicher, ob der Geheime schon schlief. Jedes Mal, wenn sie sich bewegte, raschelten auch seine Felle, als würde er sie von hinten beobachten.
Fina starrte ins Feuer, versuchte, durch die Flammen hindurchzusehen, um einen Blick auf Moras Käfig zu erhaschen. Aber sie loderten noch zu heftig, um etwas zu erkennen – und wahrscheinlich war die Feuerstelle auch zu hoch gemauert, um Mora am Boden des Käfigs zu sehen.
Ob er noch wach war? Ob er etwas von ihrem Gespräch gehört hatte? Der Abgrund zerrte an ihren Gefühlen. Sie hatte Mora verraten, hatte ihre Liebe verleumdet. Sie musste sich endlich bei ihm entschuldigen, musste eine Gelegenheit finden, um aus dem Bett zu schlüpfen und zu ihm zu gehen.
Es tut mir leid, Mora. Fina bewegte ihre Lippen, lauschte und wollte wenigstens seinen Atem in der nächtlichen Stille ausmachen.
Ein seltsames Keuchen und Stöhnen drang zu ihr, so leise, dass sie sich nicht sicher war. Es konnte genauso gut das Ächzen des Feuers sein.
Sie war hierhergekommen, um Mora zu retten. Ganz gleich, was der Wicht mit ihr vorhatte – sie durfte ihr Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Der Atem des Geheimen ging ruhig und regelmäßig. Fina horchte noch eine Weile, bis sie sich sicher war, und schlug schließlich leise die Felle zurück.
»Wohin geht sie denn?«
Fina wirbelte herum, der Alte blinzelte sie an. Hastig zwang sie sich zu einem Lächeln, suchte nach einer Ausrede.
Sie könnte sagen, dass sie pinkeln musste.
Würde der Wicht ihr dann nach draußen folgen? Damit sie nicht auf die Idee kam zu fliehen?
Fina schauderte. Wahrscheinlich. Sie suchte sich besser eine andere Ausrede. »Sie wollte nur noch etwas trinken.«
Der Geheime kniff die Augen zusammen, richtete sich auf und sah ihr zu.
Finas Beine trugen sie kaum zum Tisch, so schwach fühlten sie sich an. Nur mühsam konnte sie das Beben ihrer Hände unterdrücken, als sie den Krug anhob. Sie goss sich etwas ein, trank den Becher leer und lächelte dem Wicht zu.
Wieder hörte sie das seltsame Keuchen. Aus den Augenwinkeln ahnte sie Moras Bewegung. Er schien wach zu sein, schien sie zu beobachten. Sie wollte seinen Blick erwidern, wollte ihm zulächeln und sich wenigstens mit ihren Lippen entschuldigen.
Doch der Alte sah ihr zu. Also zwang sie sich, das Lächeln an den Wicht zu richten. Mit langsamen Schritten ging sie zu ihm und schlüpfte unter ihre Felle.
Auch der Geheime legte sich zurück, kuschelte sich mit einem zufriedenen Schmatzen in sein Kissen.
Fina drehte sich auf den Rücken und schloss die Augen. Hin und wieder schielte sie zu dem Alten hinüber, bemühte sich, seinen Schlaf zu
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