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Der geheime Name: Roman (German Edition)

Der geheime Name: Roman (German Edition)

Titel: Der geheime Name: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Winterfeld
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nicht sehen, wollte nicht wissen, wie sich sein Gesicht bei ihren Worten veränderte.
    Sie konnte nur hören, wie er die Luft ausstieß. Es hörte sich schön an, überrascht und erleichtert.
    Hastig kniete sie sich an seine Seite und begann, seine Haare zu schneiden. Sie wusste nicht, wie es ging, sie hatte noch nie jemandem die Haare geschnitten. Aber sie fasste einfach Strähne für Strähne und schnitt sie wenige Zentimeter über seinem Kopf ab. Sie ahnte schon, dass es ungleichmäßig und chaotisch werden würde – aber sicherlich besser als vorher.
    Mora hielt still, ganz regungslos saß er da, bis sie fertig war. Fina konnte ihren Blick schließlich kaum von seinem schwarzen Wuschelkopf abwenden. Sie schob ihre Finger in seine dichten Haare, strich ganz langsam hindurch, um die letzten Knoten darin zu lösen.
    Plötzlich fiel ihr Blick auf seinen gebeugten Nacken, auf den Ansatz seiner Haare und die braune Haut darunter. Ohne nachzudenken, ließ sie ihre Finger darübergleiten, erreichte seine nackten Schultern. Sie erkannte die weißlichen Narben, die sich über seinen Rücken zogen, erahnte die Qualen, die sie ihn gekostet hatten. Ganz gleich, wer es ihm angetan hatte – Fina wünschte sich auf einmal, seinen Schmerz zu lindern, wollte ihm zeigen, dass es etwas Schöneres gab. Sie legte ihre Hand auf seine Narben, breitete sie darüber aus und strich vorsichtig über die kleinen Erhebungen.
    Mora sprang auf, drehte sich zu ihr um und starrte sie an. Weichheit und Härte mischten sich auf seinem Gesicht, so schön, dass es weh tat.
    Fina wurde schwindelig. Sie wollte aufspringen und ihn festhalten, wollte ihm zeigen, was sie fühlte.
    Doch sein Blick hielt sie davon ab. Er presste die Lippen aufeinander, seine Augen blitzten auf und fesselten sie an ihrem Platz.
    Fina senkte den Kopf. Plötzlich wurde ihr klar, dass sie zwar seinen Bart rasieren und seine Haare schneiden konnte – doch ein Teil von ihm würde immer ein wildes Tier bleiben, das sich von niemandem zähmen ließ.
    * * *
    Mora starrte auf das Weibchen, wie es mit gesenktem Kopf auf seinem Lager hockte. Ihre Hände brannten noch auf seinem Rücken, in seinem Nacken, auf seiner Kopfhaut.
    Sie hatte gesagt, dass sie ihn schön fand. Die Worte waren in seinem Körper explodiert, zusammen mit dem Klang ihrer Stimme, die auf einmal so unsicher wurde. Mora hatte ganz stillhalten müssen, um sich nicht zu ihr umzudrehen, um nicht ihre Hand festzuhalten.
    Doch mit jeder ihrer Berührungen war das verbotene Gefühl stärker geworden – nahezu unerträglich, als sie damit anfing, durch seine Haare zu streicheln, über seinen Nacken, seinen Rücken.
    Mora betrachtete sie, ihren schmalen Oberkörper unter ihrem engen Hemd. Wie heiße Glut strömte das Gefühl durch seinen Körper. Er wollte sich wieder zu ihr knien, wollte sie berühren und an sich ziehen.
    Das böse Gefühl drängte ihn dazu, sie festzuhalten, zu besitzen, ihr Hemd hochzuschieben und ihre weiche Haut darunter zu fühlen!
    Mora schnappte nach Luft. Er musste weg von hier, musste das Gefühl besiegen, bevor es noch stärker wurde.
    Er durfte so etwas nicht fühlen, nicht nur deshalb, weil der Herr es verbot. Vor allem ihretwegen durfte er es nicht. Er konnte nicht zulassen, dass ausgerechnet sie zum Ziel seiner gierigsten Neigungen wurde!
    Hastig drehte er sich um und kletterte durch den Tunnel nach draußen. Die beginnende Nacht senkte sich über ihn, der kalte Wind streifte seinen Körper. Mora wollte mehr von der Kälte, wollte das Gefühl betäuben, besiegen! Doch der Wind reichte nicht aus, machte es fast noch schlimmer, indem er zärtlich über seine Haut strich.
    Er musste weg von hier, musste ihre brennenden Hände von seinem Rücken waschen und gleichzeitig die Reste seiner Haare, die überall auf seiner Haut juckten. So schnell er konnte, lief er zum Moor, sprang über die schwankenden Holzstege, die ihm selbst in der Dunkelheit vertraut waren, bis er den Grundlosen See erreichte.
    Eine gekräuselte Eisschicht lag über dem Wasser, noch dünn genug, um sie beim Schwimmen zu durchbrechen. Am Rand der Wasserfläche blieb Mora stehen. Die Erinnerung an ihre Hände prickelte noch auf seiner Haut. Fast war es, als würden ihre Finger noch immer darüber streichen, warm und weich, so zärtlich, wie der Herr niemals gewesen war.
    Ob sie ahnte, welches Monster sie hervorlockte? Ob sie in diesem Moment wusste, dass er davongelaufen war, weil er seine Bosheit kaum beherrschen konnte?

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