Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Geheime Orden

Der Geheime Orden

Titel: Der Geheime Orden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Smith
Vom Netzwerk:
als erwartete sie jedes Mal, dass wir uns verirrten oder auf dem Weg ums Leben kamen. Es ging Dalton wahnsinnig auf die Nerven und bescherte mir einen zweiten Seitenhieb mit der Faust.
    »Gesund und wohlauf, Mutter«, sagte Dalton. »Wie immer.«
    »Guten Abend, Mrs. Winthrop«, sagte ich. Ein einfaches Hallo hätte es nicht getan.
    Mrs. Winthrop war einige Jahre jünger als der Imperator, aber sie passte nach wie vor perfekt zu ihm. Sie war hübsch auf neuenglische Art: dünn, energisches Kinn und blondierte Haare, die hochgefönt und -gesprayt waren und sich auf Schulterhöhe nach oben bogen. Sie trug keine extravagante Kleidung, sondern konservative Kleider und einfache Schals, dazu fast immer eine doppelte Perlenkette, die wahrscheinlich auch ein Familienerbstück mit einer eigenen, ganz unglaublichen Geschichte war. Das einzig Extravagante an Mrs. Winthrop war ihr Schmuck. Sie lief mit Edelsteinen herum, die man eher bei Königshäusern aus Anlass einer Krönung erwartet hätte. Sie trug nicht viel auf einmal, aber was immer sie trug, man wusste verdammt gut, dass es eine arme Seele das Leben gekostet hatte, die Kostbarkeit aus der Erde zu holen – und Mrs. Winthrop ein Vermögen, es zu erwerben. Heute Abend trug sie Ohrringe mit tränenförmigen Brillanten und Rubinen, dazu einen passenden Ring, der mich jedes Mal, wenn sie die Hand hob, buchstäblich erblinden ließ.
    Der Imperator stellte das steife Ehepaar, das auf der Couch saß, als Mr. und Mrs. Gilbert Hodge vor und das Mädchen am Kamin als ihre Tochter Muffie. Ich fürchtete, Dalton und ich müssten platzen, als wir ihren Namen hörten. Ich brach mir beinahe einen Zahn ab, so fest biss ich auf den Unterkiefer, um ein Lachen zurückzuhalten. Ich spürte, wie Dalton neben mir zitterte.
    »Muffie studiert im zweiten Jahr am Smith«, informierte der Imperator uns hörbar erfreut. »Klassische Literatur.«
    Fehlte nur noch, dass Muffie einen Hofknicks gemacht hätte. Dalton würde während des Abendessens sehr viel Spaß mit ihr haben; das wusste ich. Wir gingen zu ihr hinüber, gaben ihr die Hand und begannen eine geistlose Konversation, während die Erwachsenen sich über Pferde austauschten sowie über ihre derzeitigen Vorbereitungen, ihre Winterdomizile in West Palm Beach zu beziehen. Ich folgte Daltons Konversation nur mit halbem Ohr, warf ab und zu eine Replik ein, wenn mein Name fiel, oder versuchte es mit einer humorigen Bemerkung, wenn eine peinliche Stille zu entstehen drohte. Ich hielt meine Blicke auf die Tür gerichtet und hoffte, dass Sophia hereinkommen möge, aber nur Tate und Wendell machten die Runde.
    Um Punkt acht Uhr erhob sich der Imperator von seinem Thron – das Zeichen dafür, dass die Gesellschaft sich weiterbewegen sollte. Wie immer führte er die Prozession quer durch den großen Saal ins Speisezimmer, das eine der spektakulärsten Aussichten auf die Stadt bot. Die lange, rechteckige Glastafel, die sich normalerweise in dem Zimmer befand, war durch einen runden Tisch ersetzt worden, um die Atmosphäre persönlicher zu gestalten. Mrs. Winthrop achtete stets manisch auf die korrekte Sitzordnung und sorgte dafür, dass Dalton und ich niemals nebeneinander saßen, sondern ungemütlicherweise zwischen die Erwachsenen gesteckt wurden. Ich fand mich also zwischen den Hodges wieder, während Dalton es erwartungsgemäß zu seiner Rechten mit Muffie zu tun bekam. Eine andere feste Regel bei der Sitzordnung betraf den Imperator, der stets unterhalb des Van Gogh saß. Und ich gehe jede Wette ein, dass er seinen Stuhl hatte aufpolstern lassen, damit er etwas höher saß als wir anderen und wie ein Herrscher über seinem Reich thronte.
    Ein anderer Grund, warum Dalton diese Abendessen hasste, lag darin, dass sie immer wie nach einem Drehbuch abliefen, das der Imperator geschrieben und produziert hatte.
    »Was halten Sie von der Aufregung über dieses Tankerunglück in Alaska?«, fragte der Imperator. Es war sein Recht, das erste Thema der Konversation vorzugeben.
    »Gott, wie schrecklich«, sagte Mrs. Hodge. »40000 Tonnen Rohöl, die in eines der natürlichsten Gewässer der Welt fließen. Exxon sollte jeden Cent bezahlen, damit die Dinge wieder in Ordnung kommen.«
    »Aber Unglücke passieren nun mal«, sagte der Imperator. »Es ist nicht der erste Tanker, der auf Grund läuft, und es wird nicht der letzte sein, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Ich finde, die Leute machen zu viel Aufhebens darüber. Es ist eine unglückliche

Weitere Kostenlose Bücher