Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
führt einen Salon in Paris, u nd wenn Pippa und ich unser Examen gemacht h a ben, fahren wir dorthin und M a ma wird uns von den besten Couturiers von Fran k reich einkleiden lassen. Vielleicht nehmen wir dich auch mit.«
Das ist keine Einladung. Es ist eine Herausforderung. Sie wollen wissen, ob ich die Mittel habe, um mit ihnen mitzuhalten. »Vielleicht«, sage ich. Ann laden sie nicht ein.
»Es wird eine wundervolle Zeit, obwohl Pippa wah r scheinlich alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird«, sagt Felicity. Pippa strahlt bei diesen Worten. Sie ist so beza u bernd, dass die jungen Männer ihr in Scharen zu Füßen li e gen werden. »Du und ich we r den einfach gute Miene zum bösen Spiel machen müssen.«
»Und Ann«, sage ich.
»Ja, und Ann, natürlich. Ann, meine Liebe.« Fel i city lacht und gibt Ann einen flüchtigen Kuss auf die Wange, der sie erröten lässt. Es ist, als wäre alles vergessen.
Die Uhr schlägt zehn und Mrs Nightwing erscheint in der Tür. »Schlafenszeit, meine Damen. Ich wünsche Ihnen allen eine gute Nacht.«
Die Mädchen schwärmen hinaus, in aufgekratzter Sti m mung. Die Aufregung des Abends flackert in einem G e flüster wieder auf, das von einem Mädchen zum andern überspringt. Wir steigen die gewundenen Treppen hoch, auf das Labyrinth von Türen zu, wo unsere Zimmer liegen.
Schließlich kann ich meinen Ärger über Ann nicht lä n ger für mich behalten. »Warum hast du dich nicht selbst verteidigt?«
Sie zuckt die Schultern. »Was soll ’ s? Gegen die kann man nicht gewinnen.«
»Da bist du ja, Ann, meine Liebe.« Pippa kommt uns nach, sie nimmt Ann am Arm und hält sie auf, sodass Fel i city neben mich schlüpfen kann.
Felicitys Stimme dringt in mein Ohr wie ein Beichtg e flüster . »Ich werde darüber nachdenken, wie ich mich bei dir dafür revanchieren kann. Wir haben eine Art priv a ten Klub, Pippa, Cecily, Eliz a beth und ich, aber es könnte auch für dich noch Platz sein.«
»Bin ich nicht ein Glückspilz? Ich mach mich gleich auf den Weg, um mir für diese besondere G e legenheit einen neuen Hut zu kaufen.«
Felicitys Augen werden schmal, aber ihr Mund lächelt unentwegt weiter. »Es gibt Mädchen, die weiß Gott was dafür gäben, an deiner Stelle zu sein.«
»Schön. Dann frag sie.«
»Schau mal, ich biete dir eine Chance, in Spence nach oben zu kommen. Dazuzugehören. Sodass die anderen Mädchen bewundernd zu dir aufblicken. Du wärest gut b e raten, darüber nachzudenken.«
»Dazuzugehören, so wie ihr es heute Abend Ann vorg e gaukelt habt?«, frage ich. Ich schaue zu Ann zurück, die jetzt ein paar Stufen hinter mir ist, wieder mit laufender Nase.
Felicity sieht das. »Es ist nicht so, dass wir Ann nicht mit dabeihaben wollen. Es ist nur, dass sie ein anderes L e ben vor sich hat als wir. Du denkst, wie freundlich du doch zu ihr bist, obwohl du ganz genau weißt, dass ihr draußen niemals Freundinnen sein könnt. Es ist grausam, sie gla u ben zu machen, es könnte anders sein.«
Sie hat recht. Ich traue ihr nicht weiter über den Weg, als ich in einem festgezurrten Korsett laufen kann, aber sie hat recht. Die Wahrheit ist hart und ungerecht, aber so ist es.
»Angenommen, ich wäre daran interessiert, bei euch mitzumachen – was nicht heißen soll, dass ich es bin –, aber falls doch, was müsste ich tun?«
»Vorläufig nichts«, sagt sie und setzt ein Lächeln auf, das mir nicht behagt. »Keine Sorge –wir werden dich h o len.« Sie rafft ihre Röcke und läuft die Stufen hinauf, an allen anderen vorbeischießend wie ein Komet.
7. Kapitel
E s ist das Geräusch, das mich weckt. Meine Auge n lider öffnen sich schwer fällig, gegen die Reste von Träumen a n kämpfend. Ich liege auf der Seite, dem Bett von Ann z u gewandt. Am anderen Ende des Zimmers sehe ich undeu t lich die Tür und in ihr einen Schatten. Um mehr zu erkennen, müsste ich mich bew e gen, mich halb herumdrehen, mich aufsetzen. Aber das will ich gar nicht. Es ist die Logik einer Fünfjähr i gen: Was ich nicht sehen kann, kann mich auch nicht sehen. Zweifellos sind schon viele Leute mit abgehackten Köpfen aufg e wacht, weil sie das Gleiche gedacht haben.
Also schön, Gemma, kein Grund zur Panik. Wahrschei n lich ist es nichts. Ich blinzle und warte, bis sich meine A u gen an die Dunkelheit gewöhnt haben. Das Mondlicht streckt seine Finger zwischen die Falten der langen Sam t vorhänge. Draußen kratzt ein Zweig an der Fensterscheibe. Ich horche angestrengt auf das andere
Weitere Kostenlose Bücher