Der geheime Zirkel 01 - Gemmas Visionen
sind, wie Ann es vo r ausgesagt hat, wenn nicht noch schlimmer. Der Porridge klebt in zähen Klumpen an me i nem Löffel.
»Ich hab dir ’ s ja gesagt«, murmelt sie, während sie den letzten Bissen von einer Scheibe Speck verputzt, der mir den Mund wässrig macht.
Als wir uns zur ersten Stunde, Mademoiselle LeFa r ges Französischunterricht, in der Klasse einfi n den, ist es mit meinem Glück vorbei. Die Mädchen von Fel i citys Clique sitzen geschlossen auf ihren Plätzen und erwarten mich. Sie besetzen die letzte Bankreihe in dem kleinen, engen Raum, sodass ich an ihnen vo r bei Spießruten laufen muss, um mir e i nen Platz zu suchen. Fabelhaft. Genauso habe ich mir das vorg e stellt.
Felicity streckt ihren zierlichen Fuß aus der Bank und stoppt mich in dem schmalen Gang zwischen ihrem und Pippas Pult. »Gut geschlafen?«
»Durchaus.« Ich lege eine Extraportion Fröhlichkeit hi n ein, um zu zeigen, wie wenig mich nächtliche Schulmä d chenstreiche kümmern. Der Fuß bleibt, wo er ist.
»Wie hast du das bloß geschafft? Herauszuko m men, meine ich«, fragt Cecily.
»Ich habe magische Kräfte«, sage ich und muss selbst über diese zweifelhafte Erkenntnis lachen. Martha wird klar, dass sie von dem nächtlichen Spaß ausgeschlossen war. Sie will sich damit nicht abfi n den. Deshalb versucht sie mitzuhalten, indem sie mich nachäfft.
»Ich habe magische Kräfte«, trällert sie.
Meine Wangen werden heiß. »Übrigens, ich habe das Objekt in Sicherheit gebracht.«
Felicity ist elektrisiert. »Wirklich? Wo hast du ’ s ve r steckt?«
»Ach, ich hab mir gedacht, es war nicht klug, es zu ve r stecken. Womöglich würd ich ’ s nicht wiede r finden«, sage ich fröhlich. »Es befindet sich für j e dermann sichtbar auf deinem Sessel im Marmorsaal. Ich hoffe, das war der beste Platz dafür.«
Felicity reißt entsetzt den Mund auf. Ich gebe i h rem Fuß einen kleinen Schubs und gehe zu einem Pult in der vo r dersten Reihe. Ich spüre ihre Blicke in meinem Rücken.
»Was für ein Objekt?«, fragt Ann, während sie i h re Hände wie eine Musterschülerin ordentlich vor sich auf dem Pult faltet.
»Nicht der Rede wert«, sage ich.
»Sie haben dich in der Kapelle eingesperrt, stimmt ’ s?«
Ich hebe den Deckel meines Pults, um Anns Gesicht au s zublenden. »Nein, natürlich nicht. Sei nicht dumm.« Aber zum ersten Mal sehe ich die Andeutung eines L ä chelns –eines wirklichen Lächelns –um ihre Mundwinkel zucken.
»Wird denen das denn nie langweilig?«, murmelt sie kopfschüttelnd.
Bevor ich antworten kann, rauscht Mademoiselle LeFa r ge mit ihren zweihundert Pfund Lebendg e wicht und einem munteren »Bonjour« ins Klasse n zimmer. Sie nimmt einen Lappen und wischt energisch über die bereits saubere T a fel, wobei sie die ganze Zeit wie ein Wasserfall auf Fra n zösisch v or sich hin plappert. Schließlich macht sie eine Pause, um Fragen zu stellen, die –zu meinem Schrecken –jeweils auf Französisch beantwortet werden müssen. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, um was es geht, Franz ö sisch war für mich immer eine Sprache, die undefinierbar nach Gurgeln klingt.
Mademoiselle LeFarge bleibt bei meinem Pult stehen und schlägt vor Überraschung die Hände z u sammen. »Ah, une nouvelle fille! Comment vous appellez-vous?« Ihr G e sicht schwebt gefährlich nah vor meinem, sodass ich die Lücke zwischen ihren Vorderzähnen und jede einzelne P o re auf ihrer breiten Nase sehen kann.
»Wie bitte?«, frage ich.
Sie wackelt mit einem dicken Finger. »Non, non, non … en fran ç ais, s’il vous plait. Maintenant, comment vous a p pellez-vous?« Wieder schenkt sie mir dieses zuversichtl i che, strahlende Lächeln. Hinter mir höre ich Felicity und Pippa kichern. Der erste Tag meines neuen Lebens und schon bin ich Zie l scheibe des Spotts.
Es scheint Stunden zu dauern, bis mir Ann schlie ß lich zu Hilfe kommt. »Elle s ’ appelle Gemma Doyle.«
»Wie heißen Sie?« So viele übertriebene Vokale, um diese eine idiotische Frage zu stellen? Das ist die dümmste Sprache von der Welt.
»Ah, bien, Mademoiselle Bradshaw. Tres bien.« Felic i ty kichert noch immer. Mademoiselle LeFarge richtet eine Frage an sie. Ich hoffe inständig, dass Felicity da r über stolpert wie ein Trampeltier, aber ihr Französisch ist abs o lut perfekt. Es gibt auf der Welt keine Gerechtigkeit.
Sooft mich Mademoiselle LeFarge etwas fragt, starre ich geradeaus und sage ein ums andere Mal »Wie bitte?«, als wäre ich
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