Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
zieht rasch ihre Han d schuhe aus. Sie fürchtet nicht mehr , vergiftet zu werden , sondern nur , zu kurz zu kommen.
Im tiefen Innern der Höhle ist eine Wasserfläche , glatt wie Glas , die sich gleichzeitig zu heben und zu senken scheint. Das Auf und Ab macht mich benommen. Es ist das Letzte , was ich sehe , bevor ich in Schlaf sinke.
* **
I ch stehe vor einem großen Brunnen. Die Wasseroberfl ä che ist in lebhafter Bewegung. Sie zeigt mir verschieden s te Dinge. Rosen , die rasch an dicken grünen Ranken e r blühen. Eine Kathedrale auf einer schwimmenden Insel. Schwarzer Fels , der von Nebel umwallt ist. Ein Krieger mit gehörntem Helm , auf einem feurigen Ross reitend. Ein verkrüppelter Baum vor einem blutroten Himmel. Aschas bemalte Hände. Nell Ha w kins. Der grüne Mantel. Etwas bewegt sich in der Dunkelheit , erschreckt mich , kommt näher. Ein Gesicht.
Ich werde mit einem Ruck wach. Felicity lacht vergnügt und zeigt mir ihre Hände , die mit hübschen Schnörkeln b e malt sind. Sie vergleicht sie mit Anns und Pippas Mustern. Ascha sitzt mir im Schneidersitz gege n über.
»Was hast du in deinen Träumen gesehen?« , fragt sie.
Was habe ich gesehen? Nichts , worauf ich mir einen Reim machen kann. »Nichts« , antworte ich.
Wieder sehe ich Enttäuschung in Aschas Augen. »Es ist Zeit für euch zu gehen.«
Sie führt uns zum Ausgang der Höhle. Der Himmel ist nicht mehr blau , sondern ein tintenschwarzer Nach t himmel. Sind wir so lange hier gewesen? Die Töpfe mit dem Rä u cherwerk pusten ihre regenbogenfarbenen Wölkchen aus. Fackeln säumen den Weg. Dahinter st e hen die Hadschin und verbeugen sich , als wir gehen.
Als wir wieder zu dem Felsen kommen , erscheint die Tür. »Mir ist , du hättest gesagt , der einzige Weg hinaus führt vo r wärts« , sage ich.
»Ja. Das ist wahr.«
»Aber das ist der Weg , auf dem wir gekommen sind! «
» Ist er das?« , fragt sie. »Achtet auf den Weg. Geht schnell und leise. Die Farbe verbirgt euch vor unwillkommenen Bl i cken.« Ascha legt ihre Hände aneinander und verbeugt sich. »Geht jetzt.«
Ich verstehe überhaupt nichts , aber wir haben schon zu viel Zeit verloren , um noch mehr Fragen zu stellen. Wir müssen zurück. Im Licht des Amuletts kann ich die zarten Linien auf meinen Händen sehen. Es scheint ein spärlicher Schutz vor wessen Blicken auch immer zu sein , aber ich hoffe , Ascha hat recht.
31. Kapitel
D er Schimmer des Mondauges führt uns i m mer weiter weg von dem Berg in eine unb e kannte Gegend. Der Himmel ist hier nicht so dunkel. Er leuchtet im Schein eines tiefroten Monds. Der Weg ist auf beiden Seiten von den knorrigen Le i bern riesiger Bäume gesäumt. Ihre Äste ragen hoch über uns e re Köpfe , ihre kahlen , verkrümmten Rindenfinger sind in u n heimlicher Umklammerung ineina n dergekrallt. Es ist , als befänden wir uns in einem lang gestreckten K ä fig.
»Ist das der Weg , auf dem wir gekommen sind?« , fragt F e licity.
»Wo sind wir?« , fragt Pippa.
»Ich weiß es nicht« , antworte ich.
»Es ist ein gespenstischer Ort« , sagt Ann.
»Ich hab ’ s gewusst , wir hätten ihnen nicht trauen sollen. Widerliches Gesindel!« , sagt Pippa.
»Still!« , sage ich. Der Schein des Amuletts in meiner Hand wird immer schwächer , flackert und erlischt wie eine ausg e blasene Kerze. »Es ist ausgegangen.«
»Schöne Bescherung! Wie kommen wir jetzt zurück?« , murmelt Ann.
Das Mondlicht sickert blutrot durch die spindeldürren Äste und wirft lange Schatten.
»Der Mond ist hell genug. Geht weiter« , sage ich. W a rum hat uns das Amulett seinen Dienst versagt?
»Pfui Teufel , was ist das für ein Gestank?« , fragt Felic i ty.
Ein Wind kommt auf und jetzt rieche ich es auch. Ein G e ruch nach Krankheit und Verwesung folgt uns. Ein Todesg e ruch. Ein Windstoß fährt durch den Korridor von Bäumen hinter uns und lässt unsere Seidenkleider rascheln. Es ist mehr als eine kräftige Brise. Es ist eine Ankündigung. Etwas ist im Anzug.
Ann hält sich die Hand vor Nase und Mund. »Oh , das ist wirklich grässlich.«
»Psst!« , sage ich.
»Was?« , fragt Pippa.
»Hört ihr das?«
Reiter. Sie nähern sich schnell. Eine Staubwolke rast heran. Im nächsten Moment werden sie uns überrennen. Der Korr i dor vor uns scheint sich meilenweit zu erstr e cken. Können wir uns durch die Zwischenräume zwischen den Bäumen zwä n gen? Die Abstände sind nur e i nen Lichtspalt breit , zu eng , um irgendeine von uns
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