Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
fragt Simon spöttisch.
»Miss Doyle fühlt sich nicht ganz wohl« , sagt Felicity , womit sie mich in größte Verlegenheit stürzt.
»Es tut mir leid , das zu hören« , sagt Lady Denby . »Wir werden sofort nach der Kutsche schicken.«
»Wenn Sie meinen , Lady Denby« , sagt Großmama. Die Enttäuschung über den vorzeitig abgebrochenen Abend ist ihr deutlich anzusehen.
»Lady Denby , wie reizend , Sie zu sehen!« Es ist die Mutter von Cecily Temple , die gemeinsam mit ihrer Tochter auf uns zusteuert. Cecily reißt die Augen auf , als sie Ann sieht.
»Guten Abend« , sagt sie. »Nanu , Ann. Was für eine Übe r raschung , dich hier zu sehen. Wieso bist du nicht in Spence bei Brigid und den Dienstboten geblieben?«
»Wir schätzen uns glücklich , Miss Bradshaw über die Fe i ertage bei uns zu haben , da ihr Großonkel , der Herzog von Chesterfield , in Russland aufgehalten wurde« , teilt ihr Felic i tys Mutter mit.
»Der Herzog von Chesterfield?« , wiederholt Cecily , als h a be sie nicht richtig gehört.
Einmal mehr gibt Mrs Worthington für Cecily und ihre Mutter die Geschichte von Anns adeliger Geburt zum Besten. Cecily steht vor Staunen der Mund offen , bevor er sich zu einem hämischen Grinsen verzieht. Etwas Ka l tes , Grausames durchströmt mich. Es sind Cecilys G e danken. Ich weiß , was sie tun wird. Sie wird es sagen. Jetzt stürzt Anns panische Angst auf mich ein , vermischt sich mit Cecilys Gehässigkeit und macht mich ganz schwindlig. Luft! Kann nicht atmen. Muss denken.
Ich höre Cecilys Stimme. »Ann Bradshaw …«
Meine Augenlider flattern. Bitte hör auf.
»… ist …«
Hör auf. Bitte.
»… das aller …«
Ich ertrage es nicht. »Halt!« , schreit es aus mir.
Eine unbeschreibliche Erleichterung erfüllt mich. Mich umgibt vollkommene Stille. Kein Ansturm fremder Geda n ken. Keine peinigenden Geräusche. Kein Stimmen von I n strumenten. Buchstäblich gar nichts. Als ich die Augen öffne , sehe ich , warum. Ich habe alles zum Stil l stand gebracht. Alle sind mitten in der Bewegung e r starrt: die Damen , wie sie ihre Röcke raffen oder sich unterhalten. Die Herren , verstohlen auf ihre Taschenuhr blickend oder ein Gähnen unterdrückend. Die ganze Gesellschaft gleicht einem Gruppenbild von Wachsf i guren hinter den riesigen Schaufensterscheiben eines Kau f hauses. Ich habe das nicht absichtlich gemacht , aber es ist passiert und ich muss es zu unserem Vorteil nützen. Ich muss Ann retten.
»Cecily« , raune ich , indem ich meine Hand auf ihren e r starrten Arm lege. »Es wird kein einziges Wort mehr gegen Ann über deine Lippen kommen. Du wirst alles glauben , was wir sagen , und mehr noch , du wirst Ann wie die Königin höchstpersönlich behandeln.«
Dann wende ich mich Ann zu. »Ann« , sage ich und streiche beruhigend das Haar aus ihrem verängstigten Gesicht. »Es g ibt keinen Grund , dir Sorgen zu machen. Es ist dein gutes Recht , hier zu sein. Du wirst geliebt.«
Da , kaum eine Armlänge von mir entfernt , ist der Mann , der eine Affäre mit der Schwester seiner Frau hat. Ich kann nicht widerstehen. Ich gebe ihm eine kräftige Ohrfeige. Es verschafft mir eine seltsame Genugtuung. »Sie , mein Herr , sind ein Filou. Sie werden sich auf der Stelle bessern und sich dem Glück Ihrer Gattin widmen.«
Simon. Wie seltsam , ihn als stummen Beobachter zu sehen , den Blick dieser aufmerksamen blauen Augen ins Leere g e richtet. Ganz behutsam ziehe ich meinen Han d schuh aus und streiche seitlich über sein Kinn. Die Haut dort ist glatt , frisch rasiert. Meine Hand riecht nach se i nem Rasierwasser. Es soll mein Geheimnis bleiben.
Ich ziehe den Handschuh wieder an und schließe meine Augen. »Weiter« , sage ich.
Alles kommt augenblicklich wieder in Bewegung , als hätte es keine Pause gegeben. Der Ehemann fühlt den brennenden Schmerz von meiner Ohrfeige. Simon legt seine Finger ans Kinn , als erinnere er sich an einen Traum. Cecilys selbstgefä l liger Gesichtsausdruck ist u n verändert. Sie öffnet den Mund und ich halte den Atem an. Ich hoffe inständig , dass die M a gie ihre Pflicht und Schuldigkeit getan hat. Ann Bradshaw ist das aller …
»… beliebteste Mädchen in ganz Spence« , verkündet Cec i ly. »Aus purer Bescheidenheit hat sie uns nichts d a von gesagt , dass in ihren Adern königliches Blut fließt. Eine bessere Freundin als Ann kann man sich nicht wü n schen.«
Ich weiß nicht , wer verblüffter ist , Ann oder Felicity. Beide stehen da wie vom Donner
Weitere Kostenlose Bücher