Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
gerührt.
»Meine liebe Ann , ich hoffe sehr , ich werde das Ve r gnügen haben , dir einen Besuch abzustatten , solange du in London bist« , sagt Cecily mit einer neu gewonnenen Ernsthaftigkeit.
Tom wirft sich ins Getümmel. »Miss Bradshaw , Sie mü s sen mir die Ehre erweisen , das weihnachtliche Tan z fest im Bethlehem-Hospital zu besuchen.«
Hat die wunderbare Verwandlung auf alle übergegri f fen? Nein , stelle ich fest. Die bloße Anspielung auf Ruhm und Reichtum hat ihre eigene Strahlkraft. Es ist erschreckend , wie schnell Menschen eine Lügengeschichte für bare Münze ne h men , um ihre eigenen Lügen vor sich selbst zu rechtfertigen. Aber als ich Anns glückstra h lendes Gesicht sehe , kann ich nicht umhin , mich über die Illusion zu freuen.
»Ich wäre entzückt« , sagt Ann ein ums andere Mal li e benswürdig. Sie hätte die Gelegenheit nützen können , um eine schadenfrohe Miene aufzusetzen. Ich an ihrer Stelle hätte es getan. Stattdessen hat sie sich ihres köni g lichen Blutes würdig erwiesen.
»Wir sollten die Kutsche für Miss Doyle vorfahren la s sen« , sagt Lady Denby.
Ich winke ab. »Bitte nicht. Ich möchte bis zum Ende der Oper bleiben.«
»Ich habe gedacht , du bist krank« , sagt Großmama.
»Jetzt geht es mir wieder gut.« Und das stimmt. Die nut z bringende Anwendung der Magie hat mich irgendwie ber u higt. Ich kann immer noch die Gedanken einiger Leute hören , aber sie sind nicht mehr so bedrängend.
Felicity flüstert: »Was ist passiert?«
»Ich erzähl ’ s dir später. Es ist eine sehr gute Geschic h te.«
* **
Bis ich ins Bett krieche , ist die Magie fast vollständig verfl o gen. Ich bin erschöpft und wackelig. Meine Stirn ist heiß. Ich bin mir nicht sicher , ob das eine Folge der M a gie ist oder ob ich tatsächlich krank werde. Ich weiß nur , dass ich das dri n gende Bedürfnis habe zu schlafen.
Es ist kein erholsamer Schlaf. Albträume quälen mich. Es ist ein wildes Kaleidoskop des Wahnsinns. Felicity , Ann und ich rennen durch von Fackeln erhellte Tunnel , wir rennen um unser Leben , nackte Angst steht uns im Gesicht geschrieben. Die Höhlen der Seufzer. Das Am u lett , das sich dreht und dreht. Nell Hawkins ’ Gesicht taucht vor mir auf: »Folge nicht dem Östlichen Stern , Lady Hope. Sie haben vor , dich zu t ö ten. Das ist seine Aufgabe.«
»Von wem redest du?« , murmle ich. Aber sie ist weg und ich träume von Pippa , hinter ihr der rote Himmel. Ihre Augen sind wieder falsch , schreckliche bläulich we i ße Scheiben mit schwarzen Nadelstichen in der Mitte. Ihr Haar ist glanzlos , durchsetzt von Wiesenbl u men , die Samen treiben. Sie lächelt und entblößt dabei scharfe , spitze Zähne und ich möchte schreien , oh Gott , ich möchte schreien. Sie hält mir mit beiden Händen etwas hin , etwas Blutiges und Ekelerregendes. Den abgeschl a genen Kopf einer Ziege.
Donner rollt durch den immer röter werdenden Himmel. »Ich habe dir das Leben gerettet , Gemma. Vergiss das nicht …« Sie schickt mir einen Kuss. Und blitzschnell packt sie den Ziegenkopf und schlägt ihre Zähne in se i nen Hals.
32. Kapitel
U nser Arzt , Dr. Lewis , meint , dass ich mir nichts we i ter als eine Erkältung geholt habe , und nac h dem ich ein paarmal geniest habe , stimme ich mit seiner D i agnose überein. Ich muss das Bett hüten. Mrs Jones bringt Tee und Fleischbrühe auf einem Silbertablett. Und nachmi t tags erzählt mir Vater eine Stunde lang köstliche Geschic h ten aus Indien.
»Nun reisten wir also nach Kaschmir , Gupta und ich , mit einem Esel , der nicht um alle Juwelen Indiens von der Stelle zu bringen war. Er sah den schmalen Bergpfad , bleckte seine Zähne , legte sich einfach nieder und weigerte sich weiterz u gehen. Wir zogen und zogen an der Leine , und je fester wir zogen , umso störrischer wurde der Esel. Ich habe gedacht , wir sind erledigt. Schließlich hatte Gupta eine Idee , die uns gere t tet hat.«
»Was hat er getan?« , frage ich und schnäuze mich.
»Er nahm seinen Hut ab , verbeugte sich vor dem Esel und sagte: › Nach Ihnen. ‹ Und der Esel ging voran und wir trott e ten erleichtert hinterdrein.«
Ich sehe meinen Vater schräg an. »Die Geschichte hast du erfunden.«
Er legt theatralisch die Hand auf seine Brust. »Du bezwe i felst das Wort deines Vaters? In den Kerker mit dir , du u n dankbares Kind!«
Darüber muss ich lachen –und niesen. Vater gießt mir Tee nach.
»Trink aus , Liebling. Ich möchte nicht , dass
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