Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

dich nicht dagegen. Ich habe keine Kontrolle mehr und pan i sche Angst packt mich , als ich mit rasender Geschwindigkeit in die Tiefe falle.
    Alles steht still. Ein Bild der Ruhe umfängt mich. Ich kenne diesen Ort. Bruchstückhaft habe ich ihn schon einmal ges e hen. Das Tosen des Meeres erfüllt meine O h ren. Seine Gischt küsst die gezackten Klippen und übe r zieht mein Haar und meine Lippen mit salzigen Tröp f chen. Der Boden ist rau und zerklüftet , die Haut des Felsens von Tausenden winziger Ri s se durchzogen.
    Dort oben sehe ich die drei Mädchen. Aber sie sind keine geisterhaften Erscheinungen. Sie sind lebendig und fröhlich. Der Wind erfasst ihre Röcke. Sie flattern hinter ihnen wie Mutters Taschentücher. Das erste Mädchen stolpert und ta u melt , ihr Geschrei verwandelt sich in Gelächter , als sie sich wieder aufrichtet.
    Ihr Lachen pendelt in meinem Kopf hin und her wie ein langsames Echo. »Komm weiter , Nell!«
    Nell. Ich erlebe diesen Augenblick als Nell. Ich sehe , was sie gesehen hat.
    »Sie kommt , um uns die Kraft zu verleihen! Wir werden das Magische Reich betreten und Schwestern des Ordens werden!« , ruft das zweite Mädchen in Weiß glückstrahlend. Ich bin so langsam. Ich kann nicht Schritt halten.
    Die Mädchen winken jemandem hinter mir zu.
    Da kommt sie. Die Frau im grünen Mantel schreitet über den zerklüfteten Boden. Die Mädchen rufen ihr entgegen. »Miss McChennmine! Miss McChennmine!«
    »Ja , ich komme« , antwortet sie. Die Frau streift die Kapuze zurück und enthüllt ihr Gesicht. Aber es ist nicht jene Miss McChennmine , die ich kenne. Es ist Miss Mo o re. Und nun v erstehe ich Miss Moores erschrockenen Ausdruck , als wir das erste Mal den Namen unserer ne u en Lehrerin erwähnten , und warum sie es so eilig hatte , eine abfällige Bemerkung über sie fallen zu lassen. Sie begriff , dass jemand vom Orden sie verfolgte. Und ich habe von Anfang an alles missversta n den.
    »Werden Sie uns die Kraft verleihen?« , rufen die Mä d chen.
    »Ja« , sagt Miss Moore mit einem Zögern in der Stimme. »Geht ein Stück weiter auf die Klippen hinaus.«
    Die Mädchen klettern über die felsigen Klippen , in i h rem jugendlichen Leichtsinn kreischen sie vor Vergn ü gen , als ihnen der Wind hart entgegenprallt und ihnen für einen M o ment das Gefühl gibt , sterblich zu sein. Ich laufe ihnen hinte r her.
    »Nell!« , ruft Miss Moore. »Warte hier bei mir.«
    »Aber , Miss McChennmine« , höre ich mich sagen. »Sie sind schon so weit voraus.«
    »Lass sie. Bleib hier bei mir.«
    Verwirrt beobachtet Nell ihre Freundinnen draußen auf den Klippen. Miss Moore hebt ihre Hand. Sie trägt keinen Schla n genring am Finger. Sie trug nie einen , wird mir jetzt klar. Ich habe Miss Moore von dem Ring erzählt , den ich gesehen ha t te , und die Mädchen in Weiß ließen mich sehen , was sie wol l te , dass ich sehe.
    Miss Moore murmelt etwas in einer fremden Spr a che. Der bleigraue Himmel wird lebendig , er bäumt und windet sich. Die Mädchen bemerken die Veränd e rung. Ihre Gesichter signalisieren Angst. Das Ungeheuer e r hebt sich aus dem Meer. Die Mädchen schreien entsetzt auf. Sie versuchen wegzulaufen , aber das g e spenstische Etwas dehnt sich aus wie eine Wolke. Es stülpt sich über sie und verschluckt die Mädchen mit Haut und Haar , als hätten sie nie existiert. Das Ungeheuer ächzt und stöhnt. Es entfaltet seine riesigen g e flügelten Arme und ich sehe darin die Mädchen ve r zweifelt schreien.
    Miss Moores Hand zittert. Sie schließt die Augen.
    Das Monster dreht seinen grässlichen Kopf in unsere Ric h tung. »Ah , dort sehe ich noch eine« , zischt es. Der Klang se i ner Stimme lässt das Blut in meinen Adern g e frieren.
    »Nein« , sagt Miss Moore. »Die nicht.«
    »Sie kann dich nicht ins Magische Reich bringen. Was macht es schon aus , wenn sie geopfert wird?« , kreischt das Ungeheuer mit dieser schauerlichen Stimme.
    »Die nicht« , wiederholt Miss Moore. »Bitte.«
    »Wir entscheiden , wer verschont wird , nicht du. Es ist dein Pech , wenn sie dir etwas bedeuten.« Das Ung e heuer dehnt sich aus , bis es den ganzen Himmel ausfüllt. Das Skelettg e sicht ist groß wie der Mond. Der Mund öffnet sich und en t blößt spitze Zähne.
    »Lauf!« , schreit Miss Moore. »Lauf , Nell! Bleib nicht st e hen! Lass es nicht in deinen Kopf!«
    Ich tue , was sie sagt. In Nells Körper laufe ich , so schnell ich kann. Ich stolpere über Felsbrocken. Mein Fuß bleibt in einem Spalt