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Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr

Titel: Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Libba Bray
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liebenswürdige Person. Es passt nicht zu ihr , jemanden hinters Licht zu führen. Allein die Tatsache , dass sie in Ohnmacht gefallen ist , beweist , dass sie einen zu lauteren Charakter hat , um so etwas auch nur in Erwägung zu ziehen.«
    »Menschen sind nicht immer so , wie wir sie haben möc h ten« , murmle ich.
    »Verzeihung?« , sagt Tom.
    »Nichts« , sage ich.
    Wach auf , Tom. Väter können ihre Kinder mit Absicht ve r letzen. Sie können einer Sucht verfallen sein und zu schwach sein , um von ihren Lastern zu lassen , auch wenn sie noch so sehr darunter leiden. Mütter können einen durch Missachtung unsichtbar werden lassen. Sie können einen mit ihrer Able h nung , ihrem fehlenden Verständnis zerbrechen. Freunde kö n nen einen hintergehen. Me n schen lügen. Wir leben in einer kalten , grausamen Welt. Ich kann es Nell Hawkins nicht ve r argen , dass sie sich daraus in den Wahnsinn geflüchtet hat.
    Die Gänge von Bethlehem wirken jetzt fast beruh i gend auf mich. Mrs Sommers sitzt am Klavier und klimpert eine M e lodie voller falscher Töne. In einer Ecke hat sich ein Handa r beitskreis versammelt. Die Frauen widmen sich mit Feuere i fer ihrer Stickerei , als würden sie mit jedem sorgfältigen Stich ihrer Erlösung näher ko m men.
    Ich werde in Nells Zimmer gebracht. Sie liegt auf i h rem Bett , mit offenen Augen , doch ihr Blick sieht nichts.
    »Hallo , Nell« , sage ich. Im Raum ist es still. »Könntest du uns bitte allein lassen« , sage ich zu Tom.
    »Was? Ach so , ja , sicher.« Tom geht.
    Ich nehme Nells Hände in meine. Sie sind so klein und kalt.
    »Es tut mir leid , Nell« , sage ich. Meine Entschuldigung kommt wie ein Schluchzen heraus. »Es tut mir leid.«
    Nells Hände packen meine plötzlich ganz fest. Mit dem letzten Rest ihrer Kraft kämpft sie gegen irgende t was an. Wir sind verbunden und in meinem Kopf kann ich sie sprechen hören.
    »Sie … kann sie nicht … binden« , flüstert sie. »Es … gibt noch immer … Hoffnung.«
    Ihre Muskeln entspannen sich. Ihre Hände entgleiten mir. »Gemma?« , fragt Tom , als ich aus Nells Zimmer stürze und Hals über Kopf zur Kutsche laufe. »Gemma! Gemma , wo willst du hin?«
     
    * **
     
    Es ist Viertel nach fünf , als ich eine Droschke ergattere. Mit etwas Glück schaffe ich es bis zum Bahnhof Viktoria , bevor Ann und Felicity den Fünf-Uhr-vierzig-Zug nach Spence besteigen. Aber das Glück ist mir nicht hold. Die Straßen sind verstopft , überfüllt mit Menschen und Fah r zeugen aller Art. Es ist die falsche Tageszeit , wenn man es eilig hat.
    Die Turmuhr des Big Ben schlägt die halbe Stunde. Ich strecke meinen Kopf aus dem Droschkenfenster. Vor uns dehnt sich ein Meer von Pferden , Wagen , Droschken , Ku t schen und Omnibussen. Wir sind ungefähr eine Vie r telmeile vom Bahnhof entfernt und stecken hof f nungslos fest.
    Ich rufe dem Kutscher zu: »Bitte , ich möchte hier ausste i gen.«
    Zwischen schnaubenden Pferden haste ich über die Straße zum Gehsteig. Es ist nicht mehr weit , aber ich bin von den Tagen im Bett sehr geschwächt. Als ich den Bahnhof erreiche , muss ich mich an die Wand lehnen , um nicht ohnmächtig zu werden.
    Vierzig Minuten nach fünf Uhr. Keine Zeit zum Au s ruhen. Der Bahnsteig wimmelt von Menschen. In diesem Gewühl f inde ich sie nie. Ich entdecke eine leere Ze i tungskiste , und ohne mich um die missbilligenden Blicke von Vorübergehe n den zu kümmern , steige ich hinauf , um die Menge zu überbl i cken. Endlich erspähe ich sie. Sie stehen mit Franny dort dr ü ben auf dem Bahnsteig. Die Worthingtons haben sich nicht einmal die Mühe gemacht , ihre Tochter zu begleiten , ihr einen Abschied s kuss zu geben und die eine oder andere Träne zu vergi e ßen.
    »Ann! Felicity!« , rufe ich. Noch ein paar schwarze Punkte mehr für mein undamenhaftes Benehmen. Ich humple zu i h nen hinüber.
    »Gemma , was macht du denn hier? Ich hab gedacht , du reist erst in ein paar Tagen nach Spence ab« , sagt Fel i city. Sie trägt ein elegantes Reisekostüm in einem schmeichelnden malvenfarbenen Ton.
    »Miss Moore hat die Magie noch nicht an sich g e bracht« , erkläre ich atemlos. »Es ist ihr nicht gelungen , sie zu binden.«
    »Woher weißt du das?« , fragt Felicity.
    »Nell hat es mir gesagt. Ihre eigene magische Kraft reicht offenbar nicht aus. Sie braucht mich dazu.«
    »Was sollen wir tun?« , fragt Ann.
    Eine Pfeife schrillt. Der Zug nach Spence steht in eine Dampfwolke gehüllt abfahrbereit auf dem Gleis.

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