Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
ich hinte r her.
Shames , der Butler , kommt uns nach. »Miss Worthin g ton? Was ist los?«
Felicity macht die Augen zu und streckt eine Hand aus. »Sie sehen mich nicht , Shames. Wir sind im Woh n zimmer und trinken Tee.«
Shames schüttelt wortlos den Kopf , als begreife er nicht , warum die Tür offen steht. Er schließt sie hinter uns und wir sind frei.
Der Londoner Nebel verbirgt die Sterne. Sie flimmern da u nd dort , können aber nicht durch den verhangenen Himmel dringen.
»Und was tun wir jetzt?« , fragt Ann.
Felicity grinst breit. »Alles.«
* **
Mit magischer Kraft über das nächtliche London hinwegz u fliegen ist ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Hier sind die Herren , die ihre Klubs verlassen , und die Reihe von Kutschen , die nacheinander vorfahren , um sie abzuholen. Dort die a r men , zerlumpten Straßenkinder , die an den Ufern der Themse nach ein paar Münzen und ein bisschen Glück suchen. Wenn wir nur ein wenig tiefer fliegen , können wir die Dächer der Theater im West End berühren oder mit unseren Fingerspitzen die gotischen Türme des Parlamentsgebäudes antippen , und genau das tun wir. Ann sitzt auf dem Dachfirst neben der hoch aufragenden Turmuhr des Big Ben.
»Seht nur« , sagt sie lachend. »Ich habe einen Sitz im Pa r lament.«
»Was wir alles tun könnten! Uns in den Buckingham Palast schleichen und die Kronjuwelen anlegen« , sagt Felicity , wä h rend sie auf den Zehenspitzen über die dü n nen Türmchen spaziert.
»Das w-willst du doch nicht w-wirklich tun , nicht w-wahr?« , fragt Ann entsetzt.
»Nein , das will sie nicht« , antworte ich bestimmt.
Es ist ein herrliches Gefühl , so frei zu sein. Wir fliegen g e mächlich über dem Fluss und ruhen uns bei der Wate r lo o B ridge aus. Ein Ruderboot fährt unten vorbei , das Licht seiner Lampe kämpft vergeblich gegen den Nebel an. Seltsamerwe i se kann ich die Gedanken des alten Mannes im Boot hören , genauso , wie ich die Gedanken der gefallenen Mädchen im Haymarket hören konnte oder die der Zylinder -D andys , die in ihren Luxuskarossen durch den Hyde Park kutschierten , als wir vorbeigeflogen sind. Leise , wie ein Gespräch aus einem anderen Zimmer , aber dennoch , ich weiß , was in ihnen vo r geht.
Der alte Mann stopft Steine in seine Taschen und seine A b sicht ist mir klar.
»Wir müssen den Mann dort im Boot zurückhalten« , sage ich.
»Wovon zurückhalten?« , fragt Ann und dreht sich in der Luft um sich selbst.
»Könnt ihr ihn denn nicht hören?«
»Nein« , sagt Ann. Und Felicity , die wie eine Rücke n schwimmerin dahingleitet , schüttelt den Kopf.
»Er will sich umbringen.«
»Woher weißt du das?« , fragt Felicity.
»Ich kann seine Gedanken hören« , sage ich.
Sie sind nicht überzeugt , aber sie folgen mir in den d i cken Nebel hinunter. Der Mann singt ein todtrauriges Lied über eine für ewig verlorene Liebste , steckt die let z ten Steine in seine Taschen und tritt an den Rand des schaukelnden Bootes.
»Du hattest recht!« , keucht Ann.
»Wer ist da?« , ruft der Mann.
»Ich habe eine Idee« , flüstere ich meinen Freundinnen zu. »Kommt.«
Wir stoßen durch den Nebel und der Mann kippt vor Schreck fast hintenüber , als er drei Mädchen auf sich zufli e gen sieht.
»Sie dürfen nichts so Verzweifeltes tun« , säusle ich mit e i ner hohen , zitternden Stimme , von der ich hoffe , dass sie sich außerirdisch anhört.
Der Mann fällt auf seine Knie und starrt uns mit weit aufg e rissenen Augen an. »W-wer seid ihr?«
»Wir sind die Weihnachtsgeister , und wehe dem Mann , der unsere Warnung nicht hören will« , wimmere ich.
Felicity stöhnt und schlägt einen tadellosen Rückwärt s salto. Ann starrt sie mit offenem Mund an. Doch ich bin einmal mehr beeindruckt von ihrer raschen Auffassung s gabe und akrobatischen Geschicklichkeit.
»Wie lautet eure Warnung?« , krächzt der Mann.
»Wenn Sie von Ihrem verabscheuungswürdigen Vo r haben nicht ablassen , wird Sie ein schrecklicher Fluch treffen« , sage ich.
»Und Ihre Familie« , raunt Felicity.
»Und deren Familien« , fügt Ann hinzu , was ich ein w e nig übertrieben finde , aber es lässt sich nun nicht mehr zurüc k nehmen.
Es funktioniert. Der Mann holt die Steine so schnell aus seinen Taschen , dass ich fürchte , er wird das Gleic h gewicht verlieren und über Bord gehen. »Danke!« , sagt er. »Ja , danke , vielen Dank!«
Zufrieden fliegen wir heimwärts. Wir lachen über u n seren Einfallsreichtum
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