Der geheime Zirkel 02 - Circes Rueckkehr
sie meint.
Miss Moore wendet den Blick nicht von dem Gemälde. »Wir alle tragen die Verantwortung für unser Handeln , Miss Worthington , falls es das ist , was Sie meinen.«
Wenn Felicity wirklich das gemeint hat , so lässt sie es sich nicht anmerken. Ich weiß nicht , ob ihre Frage b e antwortet wurde.
»Wollen wir weitergehen , meine Damen? Wir müssen uns noch die Romantiker ansehen.« Miss Moore marschiert zie l strebig los. Ann folgt ihr , aber Felicity rührt sich nicht von der Stelle. Sie ist von dem Bild fasziniert.
»Du würdest mich nicht ausschließen , nicht wahr?« , fragt sie mich.
»Wovon ausschließen?« , frage ich.
»Vom Magischen Reich. Vom Orden. Von allem.«
»Natürlich nicht.«
Sie legt den Kopf schief. »Glaubst du , sie haben ihn sehr vermisst , als er gefallen ist? Hat Gott über seinen verlorenen Engel geweint? Was meinst du?«
»Ich weiß es nicht« , sage ich.
Felicity hakt sich bei mir ein und wir schlendern hinter den anderen her und lassen das Bild sowie den ewigen Kampf zwischen Engeln und Teufeln hinter uns.
»Ist das die Möglichkeit? Bist du es wirklich , Ann? Ja , es ist unsere Annie!«
Eine Frau kommt auf uns zu. Sie ist ziemlich aufg e donnert , mit Perlenschnüren und Brillantohrgehängen , die besser für den Abend passen würden. Offensichtlich will sie aller Welt zeigen , dass sie Geld hat. Es ist mir peinlich für sie. Ihr Gatte , ein Mann mit einem säube r lich gestutzten Schnurrbart , zieht vor uns seinen hohen schwarzen Hut. Ein reich verzierter Spazierstock krönt seine Aufmachung.
Die Frau schließt Ann affektiert in die Arme. »Was für eine Überraschung , dich hier zu sehen. Aber warum bist du nicht in der Schule?«
»I … i … ich …« , stammelt Ann. »D-darf ich vorste l len , m-meine Cousine , Mrs Wharton.«
Wir machen uns bekannt und schließlich wissen wir , dass Mrs Wharton Anns entfernte Cousine ist , die Ann den Besuch der Schule ermöglicht , damit sie im ko m menden Jahr die Gouvernante ihrer Kinder wird.
»Ich hoffe sehr , dass es sich hierbei um eine geschmackvo l le Ausstellung handelt« , sagt Mrs Wharton naserümpfend. »Wir haben in Paris eine Ausstellung b e sucht , die war obszön , muss ich leider sagen. Bilder von Wilden , die ohne eine Faser am Leib herumhocken.«
»Dafür war es reichlich teuer« , sagt Mr Wharton l a chend , obwohl es bekanntlich höchst geschmacklos ist , von Geld zu reden.
Miss Moore neben mir versteift sich. »Ah. Wahre Kuns t kenner , wie ich sehe. Sie müssen sich unbedingt das Gemälde von Moretti anschauen« , fügt sie hinzu. Damit meint sie das gewagte Bild einer nackten Venus , der Göttin der Liebe , das mir die Schamröte ins Gesicht getrieben hat. Mit Sicherheit werden es die Whartons anstößig finden und ich habe den Verdacht , dass genau das Miss Moores Absicht war.
»Ja , gewiss , das werden wir. Vielen Dank« , zwitschert Mrs Wharton. »Es ist in der Tat ein glücklicher Zufall , dass sich unsere Wege gekreuzt haben , Annie. Es sieht ganz so aus , als würde uns Elsa , unsere Go u vernante , früher als erwartet verlassen. Sie geht im Mai und wir werden dich dann sofort brauchen. Ich weiß , wie sehr Charlotte und Caroline sich freuen werden , ihre Cous i ne als Gouvernante zu haben. Allerdings vermute ich , dass Charlotte darauf bestehen wird , Miss Charlotte genannt zu werden , nun , wo sie acht ist. Du d arfst dich von ihr nicht zu sehr heru m kommandieren lassen.« Sie lacht da r über , während Ann sich sichtlich elend fühlt.
»Wir sollten sehen , dass wir weiterkommen , Mrs Wha r ton« , sagt Mr Wharton und reicht ihr seinen Arm. Unsere Gesellschaft ist ihm schon langweilig geworden.
»Ja , Mr Wharton. Ich werde an Mrs Nightingale schre i ben« , sagt seine Gattin , den Namen verwechselnd. »Es war riesig nett , Sie getroffen zu haben« , sagt sie und lässt sich wie ein kleines Kind von ihrem Mann fortfü h ren.
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Wir kehren zum Nachmittagstee in einer schummrigen , g e mütlichen Teestube ein. Diese ist nicht wie die Resta u rants und Café s , die wir normalerweise besuchen , voller Blumen und steifem Geplauder. Es ist ein Lokal für berufstätige Fra u en und es pulsiert von Betriebsamkeit. Felicity und ich sind erfüllt von unserem Kunsterlebnis. Wir diskutieren über uns e re Lieblingsbilder und Miss Moore erzählt uns , was sie über die Maler weiß. Es gibt uns das Gefühl , höchst kultiviert und gebildet zu sein , wie die Gäste eines berühmten
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