Der Geheimnistraeger
ganze Idee für immer schwachsinniger. Über zwei Jahre waren vergangen, seit er etwas unternommen hatte, was nur annäherungsweise so schwierig war wie diese Aktion. Bei seinem letzten Einsatz hatte er auf ganzer Linie versagt. Seine eigene Sicherheit kümmerte ihn nicht sonderlich. Es hatte in den letzten beiden Jahren Augenblicke gegeben, in denen er gerne mit Janina Martinsson getauscht hätte, wenn er nur die Möglichkeit gehabt hätte. Seine größte Angst war, wieder den Tod anderer Menschen zu verschulden. Dass er nüchtern war, war keine Garantie.
Die Zeitungen waren voll von Fakten über die Besetzung und Schilderungen von Augenzeugen. Obwohl kaum von Schüssen die Rede war, war es offenbar lebensgefährlich, sich in die Stadt zu begeben. Der Abschuss des Hubschraubers mit den Journalisten am Vortag zeigte mit größter Deutlichkeit, dass er sich genauso gut gleich in seinem Hotelzimmer aufhängen konnte, statt nach Korsør zu fahren. Außerdem hatte die dänische Polizei alle Straßen gesperrt.
Eine denkbare Alternative war die Kontaktaufnahme von
außen. Im Hotel zu bleiben und zu versuchen, George Woods freizukaufen. Aber wie? George Woods hatte im Hotel Kong Frederik gewohnt. In den Zeitungen stand, dass die Terroristen dort ihre Geiseln gefangen hielten. Wahrscheinlich war es einfach nur ein dummer Zufall gewesen, dass Woods ihnen ins Netz gegangen war. Espen konnte natürlich das Hotel anrufen, hoffen, dass jemand an den Apparat ging, und dann versuchen zu verhandeln. Und dann? Die Telefone wurden natürlich von der dänischen Polizei abgehört. Im Handumdrehen würde eine Polizeistreife vor seinem Hotelzimmer stehen. Vielleicht konnte er ja von einem Handy telefonieren und die ganze Zeit in Bewegung bleiben, um nicht festgenommen zu werden? Die Leute, die das Gespräch abhörten, würden es unterbrechen, sobald ihnen klar war, worum es ging. Eine E-Mail an das Hotel? Aber würde sie gelesen werden?
Es blieb ihm also nur eine Möglichkeit: Er musste sich zu Fuß in die Stadt begeben. Taxi nach Slagelse, dort befand sich die erste Straßensperre, dann über die Äcker. Das würde einige Stunden dauern und war äußerst riskant. Die Terroristen hatten eine Ausgangssperre verhängt. Wahrscheinlich würde das mit seiner Erschießung oder Geiselnahme enden. Blieb ihm etwas anderes übrig?
Stellan Wall hatte mitgeteilt, man würde mit ihm Kontakt aufnehmen. Espen schaute auf die Uhr. Es war halb elf. Er fragte sich, wann die Kontaktaufnahme erfolgen würde.
Er stand auf und ging ins Badezimmer. Die Zahnbürste lag auf dem Waschbecken. Er steckte sie in die Brusttasche seines Hemds. Jetzt war alles gepackt.
Genau in diesem Moment klopfte es. Als Espen öffnete, standen ihm zwei Männer in Anzügen gegenüber. Einer der Männer trug eine Tasche.
»Mr. Krogh, may we come in?« , sagte der eine und trat ein,
ohne eine Antwort abzuwarten. Die beiden Männer nahmen auf den beiden Stühlen im Zimmer Platz.
»Wir vertreten eine amerikanische Interessengruppe«, fuhr der Mann fort. »Unser gemeinsames Interesse ist Mr. George Woods. Nehmen Sie doch bitte auf dem Bett Platz, Mr. Krogh.«
»Ich bleibe lieber stehen«, sagte Espen. »Und dann wüsste ich auch gerne, wie meine Gäste heißen.«
»Ich bin Mr. Smith, und das hier ist Mr. Jones.«
»Natürlich«, erwiderte Espen.
»Lassen Sie uns sofort zur Sache kommen«, sagte der Mann, der sich Mr. Smith nannte. »Mr. Woods ist für uns sehr wertvoll. Very valuable . Sie sind mit der Aufgabe betraut worden, ihn zu befreien. Sie bekommen freie Hand und zehn Millionen Dollar, mit denen Sie verhandeln können. Gelingt es Ihnen, zu einer Einigung zu kommen, dann wird das Geld auf ein Konto eingezahlt, das die Kidnapper nennen. Nachher werden wir Sie an einen Ort bringen, von dem aus Sie versuchen können, nach Korsør zu gelangen. Von diesem Ort aus werden Sie sich allein durchschlagen müssen. Wir erwarten, dass Sie so bald wie möglich mit den Personen Kontakt aufnehmen, die Mr. Woods als Geisel genommen haben. Aber die Situation in der Stadt ist kompliziert, und der Auftrag ist sehr riskant. Deswegen wollen wir eine Maßnahme ergreifen, um uns abzusichern.«
»Und die wäre?«
Der andere Mann, Mr. Jones, stellte seine Tasche aufs Bett. »Wir werden Ihnen einen kleinen Sender unter die Haut einsetzen«, sagte er. »Das Einzige, was auf der Haut zu sehen sein wird, ist ein winziges Mikro, nicht größer als ein Stecknadelkopf. Mit dessen Hilfe werden wir alle
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