Der Geheimnisvolle Eremit
erzählen?«
»Aber früher oder später mußte er doch ohnehin wieder herauskommen«, antwortete sie schwach. »Ihr konntet ihn doch nicht ewig eingesperrt lassen.«
»In der Tat, das war uns klar, aber noch nicht jetzt, da wir sein Zeichen noch nicht haben – nein, noch besser, seinen Namen, er kann ja sogar mit seinem Namen unterschreiben. Er hat die Heiratspapiere noch nicht unterschrieben, und wir haben ihm noch nicht beigebracht, seine Geschichte der unseren anzupassen und zu akzeptieren, was geschehen ist.
Ein paar Tage noch, und alles wäre gewesen, wie wir es haben wollten. Aber ich will ihn nicht ungeschoren davonkommen lassen«, fluchte Fulke rachsüchtig und brüllte seine verängstigten Diener an: »Sattelt mein Pferd, und beeilt euch!
Ich reite ihm nach. Er wird geradewegs zur Abtei reiten. Ich werde ihm die Hammelbeine langziehen!«
Richard wagte es nicht, am hellen Nachmittag die Straße zu nehmen, daher wich er dem Dorf in einem weiten Bogen aus.
Auf der Straße wäre er schneller vorangekommen, doch er hätte auch leicht die Aufmerksamkeit von Pächtern oder Bediensteten erregen können, die ihn, um sich bei Astley beliebt zu machen, in sein Gefängnis zurückgeschleppt hätten.
Außerdem hätte ihn die Straße viel zu nahe an Eaton herangebracht. Er blieb in dem Waldstück, das sich oberhalb des Flusses etwa eine halbe Meile breit erstreckte und zunehmend dünner wurde, bis nur noch eine Reihe einzelner Eichen am Wasser stand. Dahinter lagen offen und baumlos smaragdgrüne Feuchtwiesen in einer großen Krümmung des Severn. Dort hielt er sich weit genug landeinwärts, um etwas Deckung zwischen den wenigen Büschen zu finden, die an den Rainen der Felder von Leighton wuchsen. Flußaufwärts, wo sein Ziel lag, erweiterte sich das Tal zu einer ausgedehnten grünen Schüssel von Marschen, die nur an wenigen höher gelegenen Stellen von einzelnen Bäumen durchsetzt waren.
Am Nordufer jedoch, wo er ritt, begann etwa eine Meile entfernt der Wald von Eyton, in dessen Deckung er mehr als den halben Weg bis Wroxeter bleiben konnte. Das bedeutete natürlich, daß er nur langsam vorankam, doch in diesem Augenblick fürchtete er weniger eine mögliche Verfolgung, sondern eher Menschen, die ihn unterwegs erkennen und aufhalten konnten. Wroxeter mußte er auf jeden Fall meiden, und die einzige Möglichkeit, die er kannte, bestand darin, kurz vor dem Dorf und außer Sichtweite des Herrenhauses den Severn zu durchwaten, um die Straße auf der Südseite zu erreichen und von dort aus mit größter Geschwindigkeit in die Stadt zu reiten.
Im Wald beeilte er sich etwas zu sehr und ließ sich durch seine Vertrautheit mit dem Gelände verleiten, eine Abkürzung zwischen zwei Pfaden zu wählen. Er bezahlte für seine Eile mit einem Sturz, als sein Pony mit einem Huf auf die weiche Kante eines Dachsbaus trat. Doch sein Sturz wurde vom weichen Blätterteppich aufgefangen, und außer ein paar Prellungen trug er keinen Schaden davon. Das Pony war zwar erschroc ken und nervös, doch es kehrte sofort zu ihm zurück, als der erste Schreck vorbei war. Danach war ihm schmerzhaft klar, daß Hast nicht unbedingt gleichbedeutend mit Geschwindigkeit war, und er ritt vorsichtiger, bis er offeneres Gelände erreichte. Er hatte bisher noch nicht über seine Flucht nachgedacht; er war einfach nur darauf aus, zur Abtei zurückzukehren, seinen Frieden zu finden und die Schelte und Strafen zu bekommen, mit denen er sicherlich rechnen mußte, nachdem die Sorge um ihn erledigt war. So unterschiedlich Erwachsene auch waren, er wußte genug über sie, um zu verstehen, daß alle auf die gleiche Weise reagierten, wenn ein Kind, das ihrer Obhut unterstellt war, aus einer Gefahr gerettet wurde: Zuerst wurde es umarmt, direkt danach folgte die Abreibung. Vielleicht kam die Abreibung sogar als erstes! Aber das war ihm egal.
Nachdem man ihn mit Gewalt vom Schulunterricht, von seinen Mitschülern und sogar vom angsteinflößenden Vater Abt ferngehalten hatte, wollte er nur noch zu ihnen zurückkehren, die sicheren Mauern um sich spüren und vom behaglichen Stundenplan der mönchischen Tage eingehüllt werden wie von einem warmen Mantel. Er hätte, wäre er auf diesen Gedanken gekommen, am Fluß entlang zur Mühle von Eaton oder zum Haus des Försters reiten können und wäre, da dieses Land der Abtei gehörte, sofort in Sicherheit gewesen. Doch der Gedanke kam ihm nicht, und so zog er zur Abtei wie ein Vogel zu seinem Nest. Auch wenn er der
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