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Der Geheimnisvolle Eremit

Der Geheimnisvolle Eremit

Titel: Der Geheimnisvolle Eremit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ellis Peters
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Leiche heimzukehren und einige Anzeichen der erwarteten Trauer zu zeigen. Vielleicht sprach auch der Gedanke an einen klugen, jüngeren Bruder, der an Ort und Stelle geblieben war, dafür, daß er die wilde Jagd zugunsten eines gewissen Erbes aufgeben sollte.
    Was auch immer ihn beschäftigte, er wurde Zeuge der Szene, die sich vor den Brüdern und Gästen unmittelbar nach dem Gottesdienst abspielte. Die Andächtigen kamen gerade durch die Südtür heraus und begannen durch den westlichen Teil des Kreuzganges in den großen Hof zu strömen, wo sie sich verstreuen und ihren verschiedenen Abendbeschäftigungen nachgehen wollten.
    Abt Radulfus hatte zusammen mit Prior Robert den Hof betreten, als die abendliche Stille durch das Donnern von Hufschlägen auf der festgestampften Erde vor dem Torhaus durchbrochen wurde. Auf dem Pflaster im Hof klang es plötzlich stählern auf, als ein stämmiges schwarzes Pony ohne Halt am Torhaus vorbeistürmte und, gefolgt von einem großen grauen Pferd, über die Steine schlitterte. Der Reiter des Grauen war ein großer, massiger, bärtiger Mann mit vor Wut oder Erregung gerötetem Gesicht, der sich gerade vorbeugte, um das Zaumzeug des Ponys zu ergreifen. Die beiden waren etwa zwanzig Meter weit in den Hof vorgedrungen, als die ausgestreckte Hand des Mannes die Zügel schnappte und beide Pferde schlitternd und schnaubend, ausgepumpt und zitternd zum Halten brachte. Das Pferd hatte er, aber nicht den Jungen, der mit einem Entsetzensschrei die Zügel losließ und jäh auf der anderen Seite des Pferdes herunterglitt. Er floh wie ein verängstigter Vogel vor die Füße des Abtes, wo er stolperte und zu Boden fiel und verzweifelt die Arme um Radulfus’ Knie schlang. Er stieß einen unverständlichen Klageruf aus, der in den Falten der schwarzen Kutte erstickt wurde, und klammerte sich fest, weil er erwartete, mit Gewalt fortgerissen zu werden.
    Und niemand außer diesem aufrechten, festen Felsen, an den er sich klammerte, konnte dies verhindern.
    Die Stille, die so grob gestört worden war, hatte sich unvermittelt wieder über den großen Hof gesenkt. Radulfus hob sein strenges, fragendes Gesicht von der kleinen Gestalt, die seine Beine umarmte, zu dem kräftigen, selbstbewußten Mann, der die zitternden, schwitzenden Pferde stehengelassen hatte und einige Schritte auf ihn zugekommen war, keineswegs beeindruckt vom Oberhaupt des Klosters.
    »Mein Herr, Euer Auftritt war etwas unzeremoniell. An derart ungestüme Besucher sind wir nicht gewöhnt«, sagte Radulfus.
    »Ehrwürdiger Abt, verzeiht, daß ich gezwungen wurde, Euch zu stören. Wenn unser Eindringen gegen die Gebote der Höflichkeit verstieß, dann bitte ich Euch um Vergebung. Und dies eher für Richard als für mich selbst«, antwortete Fulke, den Abt absichtlich und selbstbewußt herausfordernd. »Seine Dummheit ist der Grund. Ich hoffte, Euch diese alberne Störung ersparen zu können, indem ich ihn früher einholte und sicher nach Hause brachte. Und genau dies will ich jetzt tun, damit er Euch nicht noch einmal solche Unannehmlichkeiten bereitet.«
    Anscheinend war er seiner Sache recht sicher, auch wenn er nicht weiter vortrat, um den Jungen am Kragen zu packen. Er erwiderte ungerührt den Blick des Abtes. Hinter Prior Robert traten die Brüder aus ihrer Reihe und sammelten sich verstohlen in einem Halbkreis. Sie betrachteten erschrocken den am Boden kauernden Jungen, der gedämpfte Proteste und Bitten ausstieß, die immer noch nicht zu verstehen waren, da er den Kopf nicht hob und seinen verzweifelten Griff nicht lockerte.
    Nach den Brüdern kamen die Gäste, die sich ebenfalls für dieses ungewöhnliche Schauspiel interessierten. Cadfael umrundete die Gruppe, bis er die Szene deutlich sehen konnte.
    Dabei bemerkte er den unbeteiligten, doch aufmerksamen Blick in Rafe von Coventrys Augen und sah, wie ein flüchtiges Lächeln um die bärtigen Lippen des Falkners spielte.
    Statt Astley zu antworten, blickte der Abt stirnrunzelnd zu dem Jungen hinab und sagte kurz angebunden: »Hör auf zu jammern, Kind, und laß mich los. Du bist nicht in Gefahr. Steh auf!«
    Richard löste widerstrebend seinen Griff und hob sein Gesicht, das von Schlamm und grünen Blättern von seinen Stürzen, vom Schweiß der Eile und der Furcht und von einigen ängstlichen Tränen der Erleichterung verschmiert war. »Vater, laßt nicht zu, daß er mich mitnimmt! Ich will nicht zurück, ich will hierbleiben, ich will bei Bruder Paul bleiben, ich will

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