Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Distrikt aufweckst!«
»Ja, Mann, ist schon gut.« Sie plumpste auf einen Strohsack und stöhnte leicht auf.
»Da komm ich nie mehr hoch.«
»Solltest du vorläufig auch nicht. Gute Nacht, meine Schnapsdrossel.« Helene hörte einen schmatzenden Laut, wahrscheinlich ein Kuss, den der Ehemann seiner Gattin aufdrückte. Es dauerte keine Minute, bis diese friedlich vor sich hin schnarchte. Plötzlich platzte ein Lacher aus Helene heraus. Erschrocken hielt sie sich die Hand vor den Mund, aber es war schon zu spät.
»Helene, sind Sie das?« Schritte näherten sich ihrem Fenster.
»Da haben wir’s«, sagte der Diakon und schlug seine Hände auf die Schenkel. »Jetzt hat Hildchen doch tatsächlich die gute Helene geweckt. Na, das wird ihr morgen schön peinlich sein.« Helene stand auf und trat ans Fenster.
»Verzeihung, ich wollte nicht lachen, es war nur so …«
»Schon gut, Helene. Ich bin es, der sich für Hilde entschuldigen muss. Ich hätte besser auf sie aufpassen sollen. Ist ja nicht das erste Mal, dass ihr beim Fastenfest der Wein zu Kopfe steigt.«
»Sei gnädig, alter Freund«, Johannes klopfte dem Diakon kumpelhaft auf die Schulter. »Ist doch nur einmal im Jahr, gönn ihr doch die Freude! Wir sind heute schließlich zum Feiern hergekommen.«
»Du hast ja recht, aber ich mag es nun mal nicht sonderlich, wenn sie über die Stränge schlägt.«
»Ach, das hat sie doch gar nicht. Deine Hilde ist eben sehr zierlich, da verträgt man nicht so viel wie andere. Und was ist mit dir? Willst du denn nicht wieder zum Fest zurück?«
Der Diakon strich sich über den dünnen Ziegenbart.
»Hm, ich würd ja schon gerne, aber ich kann Hilde doch nicht …«
»Und ob du kannst, Helene und ich passen schon auf sie auf. Geh du nur und amüsier dich, Bruder!«
Der Blick des Diakons wanderte von Johannes zu Helene, und als sie ermunternd nickte, tippte er zum Gruß zwei Finger an die rechte Schläfe.
»Also gut. Ein Gläschen oder zwei könnt ich schon noch vertragen, und meine Freunde von der Liedertafel lass ich auch nur ungern im Stich.« Jetzt hörte Helene den Männerchor, der ein altes Lied von grünen Tannen und blauen Seen sang. Johannes und Helene sahen dem Diakon eine Weile hinterher, wie er sich nun beeilte, zum Fest zurückzukehren.
»Der gute Ferdinand. Er tut nur so, als wäre er ihr böse, dabei liebt er seine Hilde über alles. Und sie ihn.« Johannes kniete neben Hilde, aus deren leichtgeöffnetem Mund nur noch leises Schnarchen drang.
»Ein Laken braucht sie in dieser Nacht wohl kaum, was meinen Sie?«
Helene kam aus ihrem Zimmer heraus und kniete sich neben ihn. Sie schüttelte kaum merklich den Kopf.
»Nein. In einer Nacht wie dieser braucht man nur die Sterne über sich, und sonst gar nichts.« Sie blickte in den Himmel, stand auf und deutete mit dem ausgestreckten Arm nach oben. »Schauen Sie doch nur!« Johannes stand auf und hob den Blick, sein Mund verzog sich zu einem Lächeln.
»Göttlich! Ich wüsste gerne, wie viele Sterne da oben funkeln, es müssen Milliarden sein.« Er schaute Helene an. »Ist der Sternenhimmel über Salkau auch so schön? Ich kenne ihn ja nicht.« Wieder schüttelte Helene den Kopf.
»Kein Vergleich. So ein Glitzern und Funkeln hab ich dort noch nie gesehen. Ist das nicht das Kreuz des Südens?« Helene deutete auf eine trapezförmige Sternenformation.
»Ja, und das kann man von Salkau aus ganz sicher nicht sehen.« Er schaute sie an. »So deutlich habe ich es noch nie wahrgenommen.« Helene schaute noch immer in den Himmel. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie mit Johannes ganz alleine war. Die Gruppe, mit der Ferdinand und Hilde gekommen war, hatte es sich anders überlegt und war wieder zum Fest zurückgekehrt. Außer der selig schlummernden Hilde war niemand mehr da.
»Warum haben Sie das Fest eigentlich so früh verlassen? Sie haben doch nicht etwa wie Hilde einen über den Durst getrunken, oder? Zumindest kommt es mir nicht so vor.«
Helene musste kichern. »Nein, ich hatte nur Kopfschmerzen.«
»Oh, das tut mir leid«, sagte Johannes und klang anteilnehmend. »Haben Sie es schon mal mit Myrtenheide probiert?«
»Myrtenheide?« Helene kannte den Baum, ein besonders prächtiges Exemplar stand ja gleich hier am Schulhaus.
»Warten Sie mal einen Augenblick«. Johannes stand auf und trat an den Rand der Veranda. »Die Apotheke ist hier nie weit weg und immer geöffnet.« Er pflückte ein paar längliche, feste Blätter von einem überhängenden
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