Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Aufmerksamkeit zu genießen schien. Er straffte den muskulösen Rücken, nahm erst einen Schluck und sagte dann betont langsam, als könnte dieser Moment zu schnell vergehen:
»Zionshill ist davongekommen!« Die Haltung der Männer entspannte sich, manche warfen vor Erleichterung ihren Hut in die Luft, andere klatschten laut in die Hände. Hubert wollte weiterreden, wusste aber offensichtlich nicht, wie er sich Gehör verschaffen sollte.
»Ruhig, Leute!«, befahl Johannes mit scharfer Stimme. »Lasst Hubert doch ausreden!« Dann wandte er sich wieder an ihn: »Habt ihr es noch vor dem Feuer ins Dorf geschafft?« Hubert trat unsicher von einem Bein auf das andere, verschüttete dabei ein wenig von seinem Kaffee.
»Wir, also die Rohloffs, ich und ein paar andere sind mit den Flammen um die Wette geritten. Es sah gar nicht gut aus für uns, das Gras im Tal stand ja hüfthoch.«
»Schwafel nicht so rum!«, rief einer ungeduldig dazwischen. Johannes warf ihm einen scharfen Blick zu. Hubert räusperte sich daraufhin unsicher, fuhr dann aber fort:
»Na, unten im Tal schafften wir’s jedenfalls doch noch am Feuer vorbei, sind dann wie die Teufel den Hügel hinaufgeprescht. Oben angekommen, trafen wir zunächst auf Gottfried, der uns anwies, seine Bücher und einige Dinge aus der Kirche zu retten, bevor wir etwas anderes unternähmen. Wir wollten aber zuerst die Schneise hauen.« Die Männer wurden jetzt lauter, ein paar stemmten empört ihre Fäuste in die Hüften. »Was? Der Pfaffe wollte den eigenen Hintern zuerst retten? Noch vor der Gemeinde? Das ist ja wohl die Höhe!« Die Männer ereiferten sich nun lauthals.
»Ruhe, Leute, Ruhe!«, rief Johannes energisch dazwischen. »Lasst ihn um Gottes willen ausreden.« Zunächst noch widerwillig, doch letztlich einsichtig, gaben die Männer nach und wurden ruhig.
»Und?«, setzte Johannes nach. »Was ist dann passiert?«
Hubert hob den Blick, schaute nun mutiger in die Runde.
»Wir haben nicht auf ihn gehört. Die Rohloffs haben das so entschieden.« Zustimmendes Gejohle verschluckte seine letzten Worte. Durch die Reaktionen ermutigt, sprach Hubert nun lauter: »Wir mähten das Gras und fällten sogar noch drei Bäume. Dann erreichte uns das Feuer, und wir konnten nur noch beten.« Hubert machte eine Pause, sichtlich die Spannung seines Publikums genießend.
»Und dann? Mach schon, Hubert, zier dich nicht so.« Die Runde lachte. Hubert zog ärgerlich die Brauen zusammen, besann sich dann doch eines Besseren und brachte seine Geschichte zu einem Ende.
»Plötzlich fing es an zu regnen. Erst nur ein paar Tropfen, aber eh wir’s uns versahen, schüttete es wie aus Eimern und löschte das Feuer.«
Die Männer schauten Johannes an. Der bekreuzigte sich, die Männer taten es ihm gleich.
»Gelobt sei der Herr!«, sagte der junge Herder, den Hut auf die Brust gedrückt.
»Gelobt sei der Herr«, murmelte es zurück.
Es war nicht ungewöhnlich, dass das Wetter unten im Valley anders war als in den Hills. Im Tal hatte das Meeresklima stärkeren Einfluss, und wenn sich über der See ein Unwetter zusammengebraut hatte, passierte es nicht selten, dass es sich noch im Tal entlud. Doch heute kam es ihnen wie ein Wunder vor.
Johannes klopfte Hubert auf die Schultern.
»Danke, mein Junge! Das hast du gut gemacht. Geh jetzt heim und ruh dich aus. Du hast es dir verdient.« Hubert nickte zum Abschied und ritt davon.
Johannes fuhr sich mit der Hand über die Wange. Sicher würde er wieder einmal mit Gottfried diskutieren müssen. Er war es leid, aber was konnte er tun? Gottfried war von der Heimatgemeinde eingesetzt, um Neu Klemzig und ganz besonders ihn zu kontrollieren. Der Erfolg der Pioniere in dem unbekannten Land hatte lange nicht jeden in der Heimat erfreut, sondern hatte auch Neid und Missgunst geweckt – mitunter sogar Misstrauen. Natürlich hatte Johannes längst gehört, was man sich in Salkau über ihn und Neu Klemzig erzählte. Dass hier nicht länger nach der Tradition gebetet wurde, dass die Sitten in Neu Klemzig loser seien, als man es in Salkau je geduldet hätte, und dass er angeblich die Leute gegen die alte Art aufwiegelte.
Nach Johannes’ Dafürhalten waren die Salkauer einfach überängstlich. Es stimmte schon, er ging so manches anders an, als sie es in Salkau gewohnt waren. Nicht, dass er die Gottesdienste in Salkau aus eigener Erfahrung kannte, doch sein Vater Maximilian hatte sie noch erlebt. Maximilian wäre im Traum nicht eingefallen, an der
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