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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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Tradition zu rütteln. Doch Johannes, der in der Neuen Welt geboren war, hatte darauf bestanden, dem Gottesdienst seine eigene Prägung zu geben. Auseinandersetzungen mit dem Vater waren unausweichlich gewesen, doch am Ende hatte er sich einverstanden erklärt. Auch wenn der alte Pastor es nie zugegeben hätte: Er selbst hatte sich in all den Jahren, seitdem er Deutschland verlassen hatte, verändert. Und – das immerhin gab der Alte zu – es handelte sich nicht gerade um eine Rebellion, die Johannes mit seinen Änderungen anzetteln wollte.
    Im Grunde waren es Kleinigkeiten. Die Kinder mussten beispielsweise nicht länger den ganzen Gottesdienst über mucksmäuschenstill auf den Bänken sitzen, Johannes hielt das für unnatürlich. Hatten nicht auch die Erwachsenen viel mehr Freude an der Messe, seit die Kinder fröhlich vor der Kirche spielen durften, anstatt dauernd von den Eltern zur Ruhe ermahnt werden zu müssen? Johannes liebte es außerdem, mit der Gemeinde zu singen, insgesamt hatte er die Messe aufgelockert. Nichts, was an den Grundfesten der lutherischen Lehre rüttelte. Und so hatte Johannes sich nie gesorgt, wenn ihm mal wieder jemand aus einem Brief der Verwandten in Deutschland vorlas, die sich zweifelnd über ihn und seine Methoden äußerten.
    Dann kam Gottfried. Und mit der Zeit wurde immer deutlicher, dass dieser nicht nur Johannes’ Herangehensweise aufs heftigste kritisierte, sondern dass er, und das machte Johannes wirklich zu schaffen, sein Wirken in der Gemeinde heimlich zu hintertreiben suchte. Zunächst hatte Johannes es nicht wahrhaben wollen. Erst als Helene ihn mehrfach darauf aufmerksam machte, stellte er fest, dass sie recht hatte. Kaum eine Gemeindesitzung verging, in der Gottfried nicht etwas zu bemängeln oder auszusetzen hatte. Es fing mit Kleinigkeiten an, wie dem eigenen Wagen, den er für sich einforderte. Eine Forderung, der sie dank der Familie Gösser schnell nachkommen konnten, die ihren alten Gaul der Gemeinde spendete. Der Schmied hatte noch einen alten Einspänner im Schuppen stehen, und so hatten sich die Dinge gefügt. Doch das war nur der Anfang. In der darauffolgenden Sitzung und in jeder weiteren danach brachte Gottfried die Unwirtschaftlichkeit Zionshills auf die Tagesordnung. Seit er die Leitung der Siedlung unten im Tal übernommen hatte, erwartete er wie selbstverständlich, dass die prosperierende Gemeinde Neu Klemzig für sämtliche Ausgaben der Geschwistergemeinde aufkommen sollte. Schließlich, so insistierte er, überließ Neu Klemzig die arbeitsaufwendige, kostspielige Missionierung der Schwarzen völlig der anderen Gemeinde. Zionshill hatte die Wilden am Hals, die in Gottfrieds Augen bestenfalls dazu taugten, das Unkraut in den Gemüsebeeten zu rupfen – und selbst das nur unter dem wachsamen Auge eines Missionars. Mit dieser Haltung hatte sich Gottfried in den vergangenen Monaten wenig Freunde in Neu Klemzig gemacht. Was er in der von ihm angezettelten Diskussion hartnäckig missachtete, war, dass die Klemziger nie die Absicht gehegt hatten, die Einheimischen dem Wort Gottes zuzuführen. Sie waren vollkommen damit beschäftigt, ihr eigenes Überleben zu sichern. Die Schwarzen waren ihnen von Beginn an überwiegend freundschaftlich gesonnen, und mit den Jahren hatte man sich aneinander gewöhnt, teilweise sogar angefreundet. Manchmal arbeiteten sie für die Bauern als Viehtreiber oder schlugen ihnen für Gemüse und Schweinefleisch das Holz. Nach all der Zeit des friedlichen Nebeneinanders wäre niemand mehr auf die Idee verfallen, die Aborigines missionieren zu wollen.
    Die Brüder und Schwestern vom Zionshill waren Jahrzehnte später ausgewandert, rund ein Dutzend Familien, allesamt Missionare. Ihre Priorität war die Christianisierung, und ob sie, anders als die Neu Klemziger, für immer in Australien bleiben würden, hing vom Erfolg ihrer Mission ab. Da sie ebenfalls dem lutherischen Glauben angehörten, war es nur natürlich, einander auch finanziell zu unterstützen, doch davon, dass die Neu Klemziger für Zionshill verantwortlich sein sollten, konnte in Johannes’ Augen keine Rede sein.
    Wie dem auch sei, dachte er, und ein Seufzer entrang sich seiner Brust, ein Ende des Streits mit Gottfried war nicht in Sicht, zumal der fleißig nach Salkau schrieb und auch telegrafierte, wo man seine Auffassung teilte.
    »Sei auf der Hut«, hatte ihn Maximilian gewarnt. »Auch wenn Gottfried in unserer Gemeinde nicht viel Unterstützung findet, darfst du

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