Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
der Taucher erzählt, die das Wrack der Yongala kurz nach seiner Entdeckung in den 1950er Jahren als Erste erkundet hatten. Wahrscheinlich hatten diese Typen sich nur wichtig machen wollen, doch trotz kritischer Nachfragen ließen sie sich nicht von ihrer Version abbringen. Da unten, so sagten sie, lebten Wesen, wie sie die Welt noch nicht gesehen hätte. Ob diese Berichte nun auf Wahrheit beruhten oder nicht, spielte keine Rolle. Das Wrack hatte seitdem jedenfalls den Ruf, zur Wahlheimat gefährlicher Kreaturen geworden zu sein.
Natascha schaute auf die Uhr. Schon sieben. Sie seufzte. Außer dem älteren Ehepaar auf der Holzbank war noch niemand da. Wieso gewöhnte sie sich nicht einfach ihre preußische Pünktlichkeit ab? Sie ärgerte sich nur jedes Mal, wenn sie sich irgendwo die Beine in den Bauch stand. Sie nahm eine ihrer Tauchflossen aus der Tasche und fächelte sich Luft zu. Dass es am frühen Morgen schon dermaßen heiß sein konnte!
Endlich tauchte am anderen Ende des Holzstegs die Crew auf, die Natascha an den hellblauen T-Shirts erkannte. Als sie näher kamen, entdeckte sie zu ihrer Überraschung Alan in deren Mitte, der sich bestens zu unterhalten schien. Was machte der denn hier? Dabei hatte sie absichtlich das Konkurrenzunternehmen für ihren Tauchgang zur Yongala gebucht. Sie wollte für sich klären, was sie von Alans Lebensstil und vor allem von seiner wahllosen Flirterei zu halten hatte. Sich darüber klarwerden, was ihr dieser Kerl eigentlich bedeutete. Sie ärgerte sich nämlich noch immer darüber, dass er nach jener gemeinsamen Nacht weiterhin mit den Tauchschülerinnen und seiner Hanne herumgeflirtet hatte, als sei es das Normalste von der Welt. Wahrscheinlich war es das ja auch – für ihn. Aber wieso hatte er sich dann auf dem gemeinsamen Trip nach Palm Island so interessiert an ihrer Geschichte gezeigt? Oder war das nur Teil seiner langerprobten Jagdstrategie, von der sie schließlich aus eigener Erfahrung wusste, wie erfolgreich sie war? Natascha blies hörbar Luft durch die Nase. Im Grunde war sie sauer auf sich selbst. Sie war wie ein blöder Teenager auf ihn reingefallen.
Als Alan sie sah, löste er sich aus der Gruppe schlanker und braungebrannter Menschen und kam auf sie zu. Plötzlich hatte sie einen Frosch im Hals. Zusammen mit den Schmetterlingen im Bauch war das fast schon ein Zoo, den sie in sich spürte, und das verwirrte sie noch mehr. Sie wusste nicht, wohin mit den Händen, und steckte sie schließlich in die hinteren Hosentaschen ihrer Jeans.
Alan blieb vor ihr stehen und öffnete zur Begrüßung weit die Arme.
Wie theatralisch! Für einen Augenblick fragte sich Natascha, was er damit bezweckte, doch da drückte er sie schon fest an sich und küsste sie auf beide Wangen. Er strahlte sie mit diesem unverschämten Lächeln an. Sein blondes Haar war vom Schlaf noch ganz verdrückt.
Erst in allerletzter Minute aus den Federn gekommen, dachte sie. Wofür es aller Wahrscheinlichkeit nach einen weiblichen Grund geben dürfte.
»Wie schön, dass du zurück bist. Ich hab dich vermisst.«
Natascha lächelte dünn.
»Ja, ich freu mich auch«, erwiderte sie knapp und schaute auf ihre Füße, die über die Planken strichen. Ihre Hände waren noch immer in den Taschen vergraben, was komisch ausgesehen haben musste, als er sie umarmte. Jetzt ruderten ihre Ellbogen vor Verlegenheit hilflos vor und zurück. Vielleicht sollte sie einfach an Bord gehen.
»Nach dir!« Alan machte eine galante Bewegung in Richtung Bootsplanke, die die Crew mittlerweile ausgelegt hatte. Endlich wagte sie, ihm in die Augen zu schauen.
»Was machst du eigentlich hier? Müsstest du nicht selbst mit dem Boot raus?«
Alan legte den Kopf schief und strubbelte sich durchs Haar. Dann sah er ihr verschmitzt in die Augen.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, ich bringe dir mühselig das Tauchen bei, nur damit du am Ende mit der Konkurrenz das Wrack betauchst?«
Natascha nahm ihre Tasche und ging wortlos an Bord. Ihr war mit einem Mal aufgegangen, was hier eigentlich los war. Natürlich, man kannte sich auf Magnetic Island! Sie ging jede Wette ein, dass Alan nach der Buchung ihres heutigen Trips sofort einen Anruf erhalten hatte. Innerlich musste sie grinsen, denn dass er hier war, hieß doch wohl, dass ihm etwas daran lag, mit ihr zu tauchen. Er verdiente heute keinen Pfennig an ihr – im Gegenteil, er machte Verluste, weil er nicht mit seinen eigenen Kunden rausfahren konnte.
»Ich komme mit, als dein
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