Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)
Tauch-Buddy.«
»Ja, aber …«
»Nichts aber«, unterbrach er sie, »keiner kennt den alten Dampfer so gut wie ich, und daher werde ich dir die Yongala zeigen. Punkt.« Sein schelmischer Gesichtsausdruck war verschwunden und mit ihm der ironische Unterton. »Ich weiß zwar nicht, welches Problem du mit mir hast, aber eines weiß ich ganz genau: Du wirst diesen Tauchgang mit mir nicht bereuen. Das verspreche ich dir. Also?«
»Also was?«
»Worauf wartest du? Sind wir nun ein Tauchteam oder nicht?«
Sie zuckte betont gleichgültig mit den Schultern.
»Meinetwegen.« Sie beeilte sich, ihre Sachen unter der langen Sitzbank zu verstauen, bevor sie in seinem Gesicht auch nur den Hauch von Triumph lesen konnte.
Mit einem weiten Grätschschritt sprang sie von der Plattform ins Wasser, wo Alan schon auf sie wartete. Das Meer war einladend warm und von einem tiefen Blau. Sie schwamm zum Seil und hielt sich mit einer Hand daran fest. Durch ihre Maske schaute sie in die Tiefe. Sie spürte, wie die Strömung an ihrem Körper zog, und klammerte sich noch ein wenig fester ans Seil. Alan überprüfte sofort die Funktion ihres Atemgerätes und der Tauchweste. Er zurrte ihren Bleigurt fester und warf einen genauen Blick auf den Luftdruckmesser. Ihr Herz begann heftiger zu schlagen, und ihr Mund wurde trocken, als Alan mit dem Daumen nach unten zeigte – das Zeichen zum Abtauchen. Das andere Seilende war am Bug der Yongala befestigt. Alan folgend, hangelte Natascha sich daran langsam in die Tiefe hinab. Ihr schwindelte, wenn sie nach unten schaute, und sie versuchte, sich zu beruhigen.
Eine Schildkröte drehte gemächlich den alten Kopf, um dann im Schatten unter ihr zu verschwinden. Wenig später tauchte eine Wolke aus Gelbschwanzmakrelen wie aus dem Nichts vor ihnen auf und begleitete sie eine Weile auf dem Weg nach unten.
Endlich sah Natascha die Yongala, das Schiff schien ihnen aus dem Meeresboden entgegenzuwachsen. Ihr Herz klopfte wild. Erneut ermahnte sie sich zur Ruhe, andernfalls würde sie zu viel Luft verbrauchen und müsste wieder aufsteigen, ehe sie das Wrack überhaupt betaucht hätte. Alan ließ das Seil los und gab ihr ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Es kostete sie einige Überwindung, den sicheren Halt preiszugeben, doch als Alan abdrehte und in Richtung Wrack schwamm, hatte sie gar keine andere Wahl, als ihm zu folgen. Die Arme vor der Brust verschränkt, ließ sich Alan elegant mit den Knien auf den Grund sinken. Natascha versuchte, es ihm nachzumachen, verlor jedoch das Gleichgewicht und musste heftig mit den Armen rudern, um auch nur ungefähr in seine Nähe zu plumpsen. Obwohl sie bei diesem Landemanöver zu viel Sand aufgewirbelt hatte, um es mit Bestimmtheit sagen zu können, hätte sie dennoch schwören können, dass Alan hinter seiner Maske hämisch grinste. Als sie ihr Gleichgewicht zurückgewonnen hatte, zückte er ein Whiteboard und einen Marker. Aha, er wollte sie einem Test unterziehen, um herauszufinden, ob sie vielleicht am Tiefenrausch litt. Tatsächlich schrieb Alan eine einfache Rechenaufgabe auf. Sofort hielt Natascha die entsprechende Anzahl an Fingern hoch. Sie fühlte sich etwas sicherer und traute sich nun, sich umzuschauen.
Das Schiff hatte sich mit einer Längsseite in den weichen Boden gegraben, was eine gute Sicht aufs Oberdeck ermöglichte. Neben ihnen ragte der zerbrochene Mast der Yongala auf. Seeschlangen wanden sich um die Überreste der alten Reling. Ihr Anblick machte Natascha nervös und erinnerte sie an die Seemonster, von denen die Taucher erzählten. Angeblich waren die Tiere harmlos, das hatte Alan ihr zumindest versichert. Ihr Blick wandte sich vom Wrack ab, und sie schaute ins dunkle Blau. Höchstens zwölf Meter Sichtweite, hatte Alan sie vor dem Tauchgang gewarnt. Ein Gedanke ließ ihren Puls hochschnellen. Was, wenn sich plötzlich ein Hai aus der blauen Wand löste und auf sie zuschoss? Das hörte man doch immer wieder, dass Taucher in Australien von Weißen Haien angegriffen wurden. Waren es nur ihre flatternden Nerven, oder war da tatsächlich ein großer Schatten, der sich auf sie zubewegte? Alan, der vor ihr tauchte, drehte sich um und formte mit Daumen und Zeigefinger das Okay-Zeichen. Sie atmete wieder ruhiger, doch das Adrenalin schoss noch immer durch ihren Körper, als das riesige Wesen lautlos an ihnen vorüberglitt. Ein langnasiger Gitarrenhai – völlig harmlos, wie sie selbst wusste, doch beeindruckend groß. Sie tauchten um den Bug herum.
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