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Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition)

Titel: Der geheimnisvolle Garten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annette Dutton
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dich ansehen kann. Es ist ja nun schon eine Weile her.« Die Schwestern machten es sich in den Korbstühlen bequem. Das weiche Geflecht knarzte, als Helene sich zurücklehnte. Mit beiden Händen hielt sie das Wasserglas umfasst und sah hinein, während sie ihren Mut zusammennahm. Dann sah sie die Schwester an, die nur darauf zu warten schien, dass sie das Wort an sie richtete.
    »Katharina, ich … Es tut mir leid, dass alles so gekommen ist, und es ist mir bewusst, dass ich schon viel früher den Kontakt zu dir hätte aufnehmen müssen, aber ich …« Helene machte eine hilflose Geste, und Wasser schwappte aus dem Glas über ihren Schoß. Sie stellte das Glas auf den Tisch und strich über die feuchte Stelle auf ihrem Kleid.
    »Aber was?«, fragte Katharina, und es hörte sich scharf an. Sie blickte ihrer Schwester forschend ins Gesicht.
    »Ich will mich gar nicht entschuldigen, aber du weißt selbst, wie jung ich war. Sechzehn. Alles, was Vater sagte, war für mich Gesetz.« Helene schluckte. Sie wünschte, Katharina würde sie anschreien oder ihr eine Ohrfeige verpassen, irgendwas. Doch die Schwester schwieg und blieb reglos sitzen. Irgendwo quietschte eine ungeölte Fensterangel, ein Windstoß bewegte die Schaukelstühle. Katharina stellte ihr Glas ab und legte die gefalteten Hände in den Schoß.
    »Ja, du warst sechzehn damals und ich nicht viel älter. Einundzwanzig. Fünf Jahre jünger, als du es jetzt bist. Ich war einundzwanzig, als meine Familie mich aus dem Haus gejagt hat. Hast du auch nur eine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe? Wohl kaum. Im Übrigen bist du nach zehn Jahren wohl nicht hier reingeschneit, um dich bei mir zu entschuldigen. Es ist ja nur zu offensichtlich, dass du in Schwierigkeiten steckst. Ein Kind auf dem Arm, vom Vater weit und breit keine Spur und als Begleitung eine Schwarze mit Tochter. Da stimmt doch was nicht.«
    »Katharina, lass dir erklären. Es ist nicht so, wie du denkst.«
    »Woher willst denn ausgerechnet du wissen, was ich denke? Aber schön. Wenn wir schon einmal dabei sind, will ich es dir gerne sagen. Sieh dich doch nur an: das dreckige Kleid, dein schmutziges Gesicht. Lass mich raten. Dir steht das Wasser bis zum Hals, und jetzt soll ich meine kleine Schwester retten, weil sie mit ihrem sehr irdischen Problem nicht zu ihren scheinheiligen Lutheranern gehen kann. Es gibt ein Kind und keinen Vater. Aus keinem anderen Grund lässt du dich bei mir blicken. Stimmt’s?« Ihre Stimme hatte bei den letzten Worten leicht gebebt.
    Es hatte keinen Sinn, Katharina weiterhin etwas vorzumachen. Helenes Plan hatte eigentlich vorgesehen, Katharina erst nach und nach die Wahrheit zu enthüllen. Wie das vonstattengehen sollte, wusste sie selbst nicht so genau. Jedenfalls hatte sie sich fest vorgenommen, nicht gleich laut um schwesterliche Hilfe zu schreien, sofern es sich nur irgendwie vermeiden ließe. Denn obwohl Katharina es ihr nicht abnahm – was sie ihr weiß Gott nicht verübeln konnte –, sie wollte sich tatsächlich bei der Schwester entschuldigen. Nach alldem, was Helene im letzten Jahr widerfahren war, sah sie die Schwester mittlerweile in einem anderen Licht. Erst jetzt konnte sie nachempfinden, was die Ältere damals durchlitten haben musste, als die Familie sie verstoßen hatte.
    Es brach Helene fast das Herz, zu erkennen, wie sehr Katharina noch immer unter der alten Zurückweisung litt. Es war grausam und unverzeihlich, was sie und die Eltern ihr angetan hatten.
    »Ja, es ist wahr«, gab sie deshalb unumwunden zu. »Ich brauche deine Hilfe. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb ich zu dir gekommen bin. Das musst du mir glauben, und wenn ich dir irgendwann meine Geschichte erzählen darf, verstehst du vielleicht, dass ich mich verändert habe, Katharina. Ich bin nicht mehr das unbedarfte junge Ding, das du in Salkau kanntest. Ich habe Schuld auf mich geladen, und dafür habe ich gebüßt. Aber ich weiß nun auch, was es heißt, zu lieben, und das werde ich nie bereuen. Manchmal weiß ich nicht mehr, was richtig und was falsch ist. Glaub mir, Katharina, das Leben hat mir in den letzten Jahren so manche Lektion erteilt. Das Leben … es ist so anders, als es uns Vater und die Kirche weismachen wollten.« Bei dem Wort Kirche dachte sie an Gottfried, und ein Schauder lief Helene über den Rücken.
    »Die Guten sind nicht immer die Guten und die Bösen nicht die Bösen. Sieh mich an. Ich bin beides, ich bin gut und ich bin böse. Ich liebe, aber diese Liebe

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