Der geheimnisvolle Gentleman
geben lassen, falls meine Periode sich nicht einstellt. Wenn sie es doch tut … also, ich bin mir der Tatsache bewusst, dass es weiterhin meine Pflicht ist, dir einen Erben zu gebären. Ich möchte dich nur bitten, mich eine Weile in Ruhe zu lassen. Es … es wird mir leichter fallen, wenn ich dich eine Zeitlang nicht sehe.«
Sein Erbe. In dem ganzen Irrsinn hatte er diese Möglichkeit vollkommen aus den Augen verloren. Selbst jetzt konnte sie schon seinen Erben unter ihrem Herzen tragen.
Wieder war er hin- und hergerissen.
Er hätte schwören können, dass er sich nichts hatte anmerken lassen, doch sie kannte ihn einfach zu gut. Ihr Blick wurde leer und kalt, wie die gefrorene Oberfläche eines Sees. Sie drehte sich um und humpelte davon. Ein Lakai half ihr in die Kutsche. Weder sah sie ihn an, noch winkte sie, als das Gefährt sich geschmeidig in Bewegung setzte. Errol würde unter allen Umständen versuchen, seiner Lady eine angenehme Reise zu bereiten.
Dane sah den Konvoi die lange Auffahrt hinunterrollen und verlor sie aus den Augen, als die Kutsche hinter einer Kurve verschwand.
Nate und Stanton traten von hinten an ihn heran, beide hatten Kleidung zum Wechseln dabei. »Sollen wir los?«
Dane nickte. Seine eigenen Sachen waren bereits von der Kutsche hinter seinen Sattel gepackt worden. Wortlos nahm er Galahads Zügel und saß auf. Er schloss zu den anderen auf, die die Auffahrt hinuntertrotteten.
Ohne sie zu sein, würde seinen Verstand wieder in die richtigen Bahnen lenken und seinem Gemüt Frieden schenken. Davon war er fest überzeugt.
Körperlicher Schmerz bewirkte erstaunlicherweise, dass sie wieder einen klaren Kopf bekam.
Jedes Ruckeln der Kutsche auf der Straße schickte einen frischen Stoß wütenden Schmerzes durch Olivias Schenkel. Die Federung war die beste, die mit Geld zu kaufen war, und Errol hatte geschworen, vorsichtig zu fahren, aber sie erkannte jetzt, dass sie ein Narr gewesen war, anzunehmen, sie sei in der körperlichen Verfassung zu reisen. Die vergangenen Stunden waren die Hölle gewesen. Sie würde weitere drei oder vier bis Cheltenham nicht überstehen.
Dummer Stolz und Verzweiflung hatten sie dazu veranlasst, vorzugeben, auf dem Weg der vollkommenen Genesung zu sein. Noch länger in diesem Bett zu liegen, mit Petty, die um sie herumschwirrte und ihr jeden Wunsch von den Augen ablas, und Dane irgendwo im Haus, ihn zu fühlen, indes nie zu sehen, wissend, was sie inzwischen wusste …
Sie hatte jedes Wort gehört, das er über seinen Vater gesagt hatte, und ihr war aufgegangen, dass es keine Hoffnung gab.
Dane glaubte, dass Liebe eine Schwäche war, eine Krankheit, ein Fleck auf der Seele, den man abwaschen musste.
Sie hatte dagelegen, zugehört und erkannt, dass sie Danes Liebe nicht wollte.
Sie hatte sich gesagt, dass sie allein gut zurechtkommen würde. Sie war sehr lange allein gewesen, selbst als Walter noch gelebt hatte. Allein zu sein war ihr vertraut, aber es war
auch hart. Sie schlang die Arme um ihre Taille und dachte über ihre Möglichkeiten nach. Sie war vielleicht schwanger. Falls Dane ihr Kind nicht wollte, würde sie es selbst großziehen, auf Cheltenham.
Sie erlaubte sich nicht, darüber nachzudenken, was passieren könnte, wenn Dane ihr Kind beanspruchte. Wenn sie einen Jungen bekam, wäre das aller Voraussicht nach der Fall. Was passierte, wenn ein mächtiger Lord zwar ihr Kind wollte, sie jedoch ablehnte? Es hatte eine Zeit gegeben, da hätte sie Dane eines solchen herzlosen Verhaltens nicht für fähig gehalten. Jetzt war sie sich dessen nicht mehr so sicher.
Ein weiteres Ruckeln erinnerte sie an ein praktischeres und drängenderes Problem als ihren möglichen Nachwuchs.
Sie musste das Nachtgeschirr benutzen, was sicherlich nicht besonders klug wäre, solange sie in Bewegung waren. Sie stützte sich auf den gegenüberliegenden Sitz und streckte sich, um mit dem Handballen gegen das Dach der Kutsche zu klopfen. Errol öffnete die Klappe.
»Mylady wünschen?«
»Ich denke, es ist an der Zeit für eine kleine Rast, Errol.«
»Ja, Mylady. Wünscht Ihr Eure Zofe?«
Der Gedanke, dass Petty gleich wieder um sie herumflattern würde, ließ Olivia geradezu erschauern. »Nein, ich möchte in Ruhe gelassen werden. Ich … ich mache vielleicht ein Nickerchen.«
Das war unwahrscheinlich, weil ihr Bein so sehr pochte, aber es würde das übereifrige Personal von Greenleigh von ihr fernhalten. Olivia sehnte sich danach, nach Hause zurückzukehren, zu
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