Der geheimnisvolle Highlander
war lang und leicht gebogen, die Augen lagen unter schweren Lidern tief in ihren Höhlen. Der zweite Mann stand mit dem Rücken zu Alex. Er war groß und gedrungen, mit dünnem, dunkelrotem Haar. Beide Männer trugen schlichte Kniehosen und Wamse aus Leder. Keiner von ihnen kam ihm bekannt vor, aber Alex hatte an jenem Tag nicht alle Angreifer gesehen, denn manche der Schurken hatten schnell die Flucht ergriffen.
Das war töricht. Meg Mackinnon war eine Ablenkung, die er sich nicht leisten konnte. Er musste sich ausschließlich auf seine Mission konzentrieren. Entschlossen nahm er einen letzten Schluck Ale und setzte den Krug fest auf dem hölzernen Tisch ab.
Doch was, wenn …
Alex fluchte. Er wollte sich nicht in das Netz von Meg Mackinnon ziehen lassen. Er sollte die Sache wirklich einfach auf sich beruhen lassen, aber diesen Hauch eines Verdachts konnte er einfach nicht ignorieren. Er würde sie eine Weile im Auge behalten, nur um sicherzugehen. Doch sobald diese unvernünftige Sorge ausgeräumt war, beabsichtigte er, Meg Mackinnon völlig aus seinem Gedächtnis zu streichen.
6
N un, da sie ihre Entscheidung getroffen hatte, brannte Meg darauf, die Angelegenheit abzuschließen. Jamie hatte ihr deutliche Zeichen gegeben, dass er vorhatte, um ihre Hand anzuhalten, und Meg beabsichtigte, ihm dazu jede Gelegenheit zu geben. Doch in den letzten paar Tagen hatte sie ihn kaum zu Gesicht bekommen.
Sobald sie einen Antrag vorzuweisen hatte, konnte sie auf Dunakin Castle und die Isle of Skye zurückkehren. Sie war schon viel zu lange von Vater und Bruder fort. Ganz zu schweigen davon, dass sie haufenweise Berichte durchgehen müsste, sobald sie zurück war. Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie so begierig darauf war, Holyrood zu verlassen. Meg wollte von Alex MacLeod und den seltsamen Gefühlen fort, die er in ihr auslöste. Sosehr sie es auch versuchte, sie bekam diesen verwünschten Mann einfach nicht aus dem Kopf. Es war geradezu beschämend. Sie hatte sich immer schon bemüht, die Dinge logisch anzugehen und niemals zugelassen, dass Gefühle über ihren Verstand regierten. Und doch konnte sie nicht vergessen, wie er sie angesehen hatte oder wie es sich angefühlt hatte, als seine Hände – seine großen, geschickten Hände – sie berührt hatten. Auch konnte sie die Heftigkeit ihrer Reaktion auf ihn nicht vergessen, oder wie sehr es sie verletzt hatte, dass er ihr Aussehen unzureichend fand.
Doch sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Um Jamie, nicht um Alex MacLeod sollte sie sich Gedanken machen.
Als Jamie sie nicht wie üblich zu einem morgendlichen Spaziergang
in den Gärten abholte, beunruhigte Meg das noch nicht. Doch als er nicht zum Mittagsmahl erschien, fragte sie sich, was ihn wohl davon abhalten mochte. Normalerweise war Jamie so aufmerksam, dass es ihr eigenartig erschien, nun so wenig von ihm zu Gesicht zu bekommen. Elizabeth hatte erwähnt, dass ihm am Morgen eine Botschaft von ihrem Cousin, dem Earl of Argyll, überbracht worden war und er daraufhin etwas mit Lordkanzler Seton besprechen wollte. Seitdem hatte sie nichts mehr von ihm gehört.
Doch was Meg noch mehr beunruhigte, war ihre Mutter. Sie führte zweifellos irgendetwas im Schilde. Rosalind hatte vor Kurzem mit Jamie gesprochen und hinterher wie eine zufriedene Katze ausgesehen. Und ihre Mutter hatte ihr den Weg zu den Räumen des Lordkanzlers beschrieben.
Leider kannte sich Meg in diesem Flügel des Palastes – dem zweiten Wohnsitz Lordkanzler Setons und des Geheimen Rats – überhaupt nicht aus. Anders als auf Dunakin vermied Meg es bei Hofe nach Möglichkeit, sich an politischen Diskussionen zu beteiligen. Sie konnte beide Seiten verstehen, die Highlander und deren Gegenspieler aus den Lowlands, doch Holyrood war kein Ort für vernünftige Diskussionen. Auf Holyrood ging es nur um Macht. Und die Macht des Königs war jetzt größer als damals, als der Titel der »Lordship of the Isles« im Jahre 1493 an James IV. gefallen war. Den Highlands standen große Veränderungen bevor, ob es den Chiefs gefiel oder nicht.
Wenn die Mackinnons als Clan bestehen und gedeihen wollten, dann mussten sie lernen, sich in dem tückischen Labyrinth der aus Lowlandern bestehenden Regierung zurechtzufinden.
Zielstrebig schritt sie den Gang entlang und blieb bei jedem üppig eingerichteten Raum, an dem sie vorbeikam, stehen,
um einen Blick hineinzuwerfen. Im ganzen Palast waren die Räume mit vergoldeten Wänden und kunstvoll
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