Der Geheimtip
falsch. Wie konnte er gemeinsame Sache mit diesem Dussel machen, der sicher bald in Ungnade fallen würde.
»Das hätte noch gefehlt. Er explodierte gleich, als ich ganz harmlos den Namen Meier erwähnte.«
»Und wo ist die Karte jetzt, Herr Knulle?«
»Na hier.« Er holte sie aus der Tasche. Eine bunte Ansicht von Funchal mit dem lieblich-wilden Panorama seiner Berge. »Sie dürfen sie lesen«, sagte Knulle. Also drehte Kranzer sie um und las: »Hier ist es einfach märchenhaft. Alles blüht und grünt. Vielleicht komme ich gar nicht wieder nach Aberlingen. Das Geschäft nimmt einen guten Verlauf. Alles Gute und Grüße an die anderen Schraufaleute von Ihrem Egon Meier. PS: Ich habe zwei komische Mützen gekauft, raten Sie mal, wer eine abkriegt? D. O.«
Die Männer sahen sich an.
»Eine merkwürdige Karte«, faßte Dr. Kranzer dann zusammen. »Ich finde, daß er ziemlich wirr schreibt. Das paßt doch eigentlich gar nicht zu ihm.«
»Finde ich auch. Ja, ganz meine Meinung«, bestätigte Knulle beflissen.
»Die Sache mit den Mützen – sonderbar. Und noch sonderbarer ist doch das Gefasel, daß er vielleicht gar nicht wieder nach Aberlingen zurückkehren will.«
»Das fiel mir auch auf«, schwindelte Knulle.
»Oder vielleicht will er wirklich nicht zurückkommen? Dem werden sie da doch kein Rauschgift eingegeben haben«, überlegte Kranzer und kam damit der Wahrheit immerhin ein bißchen nahe.
Kranzers Entschluß stand fest.
»Ob Sie mir die Karte vielleicht für eine Viertelstunde leihen würden, Herr Knulle?« fragte er korrekt.
»Warum nicht? Ich weiß ja, was drauf steht.« Er gab sie ihm. Und Kranzer eilte damit erneut zu Pettenkamp. Fräulein Buttrich lächelte ihm irgendwie schnippisch zu.
»Süß sehen Sie heute wieder aus«, eröffnete Kranzer das Gespräch. Er war in den letzten Tagen, seit es um Meier still geworden war, bei ihr ein gutes Stück vorangekommen. »Stellen Sie sich vor«, fuhr er fort, »der Knulle hat eine Karte von Meier gekriegt. Aus Funchal.«
»Na und?«
»Na, das beweist doch zumindest, daß Meier auf Madeira ist.«
»Und warum sollte er nicht da sein?«
Kranzer zog scharf die Luft ein. Wenn sich die Frauen unwiderstehlich vorkamen, konnten sie auch leicht unausstehlich werden.
»Weil Herr Pettenkamp sich Sorgen macht. Weil Señor Parlango y Gosset ihm mitgeteilt hat, Meier sei gar nicht dort angekommen. Deshalb«, sagte er im Vorgesetztentonfall.
»Quatsch!«
»Na, so abwegig war das eben nicht. Oder gibt es inzwischen etwas Neues, was ich noch nicht weiß?«
»Ich habe den Señor da noch nicht erreichen können«, nölte sie, »aber 'ne Karte habe ich natürlich auch bekommen. Gestern schon. Das war ja klar, daß Egon mir zuerst schreibt. Wir sind ja … nun … Freunde. Ich betreue doch auch seine Alma, während er weg ist, und überhaupt …«
Kranzer fiel die Kinnlade runter. »Ja, Menschenskind, Buttrichlein, Mädchen, haben Sie das dem Chef denn nicht erzählt?«
»Nö. Mich hat auch keiner gefragt. Außerdem ist die Karte ja nicht für aller Augen bestimmt«, setzte sie kokett hinzu, und wirklich wurde Kranzer ganz rot vor Ärger.
»Haben Sie die Karte dabei? Würden Sie sie mir für einen Augenblick geben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich denke gar nicht daran. Das ist ja nun wirklich Privatsache und geht über die Leistungen einer Chefsekretärin hinaus.«
»Dann nicht, liebe Tante«, sagte Kranzer wütend. Sollte sie sich einpökeln lassen mitsamt ihren niedlichen Brüsten und Beinen. Es gab mehr Mädchen in und um Aberlingen. Mehr als genug.
»Melden Sie mich bitte beim Chef an«, sagte er kalt.
Drinnen präsentierte Kranzer seinem Chef stumm die Karte und erläuterte dann, was zu erläutern war. Pettenkamp erhob sich und stellte sich an das große Fenster, so daß Kranzer sein Gesicht nicht sehen konnte. Als er sich umdrehte, hatte er Tränen in den Augen.
»Meine Menschenkenntnis, lieber Kranzer«, sagte er mit leicht zitternder Stimme, »ich hätte es wissen müssen. Nein, Meier ist nie im Leben ein falscher Fuffzigern. Wie konnten Sie das nur behaupten! Er ist ein Opfer. Das ist er. Wer weiß, was da passiert ist …«
In diesem Augenblick hatte Silvia Buttrich die Verbindung mit Parlango y Gosset hergestellt. Pettenkamp stellte auf ›Lautsprecher‹ und übergab Kranzer mit einem Wink den Hörer, weil der besser englisch konnte. Und Parlango erklärte glaubhaft, ihr Mann sei nie bei ihm eingetroffen. Er versicherte ihnen, das Geschäft
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